Motive - Glauben und ZweifelnSonntag, 19. 06. 2011, 19.04 Uhr bis 19.30 Uhr Österreich 1
„Das Gute war lebensrettend“ – Der Schriftsteller Aharon Appelfeld und die religiöse Melodie seines Lebens
„Falls die Literatur tatsächlich Wahrheit ist, so ist sie die
religiöse Melodie, die wir verloren haben. Sie umfasst alle
Bestandteile des Glaubens, Ernst, Innerlichkeit, Musik, und sie
rührt an die verborgensten Inhalte der Seele.“ Das schreibt Aharon
Appelfeld in „Geschichte eines Lebens“, einem seiner zahlreichen
berührenden und faszinierenden Bücher. Letztlich waren es Sprache
und Literatur, die ihn gerettet haben. 1932 als jüdisches Kind in
der literarisch wie landschaftlich reichen Bukowina geboren, endete
1939/1940 seine behütete Kindheit jäh. Als er acht Jahre alt war,
wurde seine Mutter ermordet, er selber gemeinsam mit seinem Vater
nach Transnistrien in ein Lager verschleppt. Er konnte fliehen und
sich als Acht-, Neun- und Zehnjähriger über Jahre in den
ukrainischen Wäldern versteckt halten. 1946 gelang es ihm, ins
heutige Israel zu flüchten. Er, der nur ein Jahr klassische
Schulbildung genossen hatte und zuerst des Hebräischen nicht mächtig
war, studierte an der Universität in Jerusalem und war von 1975 bis
zu seiner Emeritierung 2001 Professor für hebräische Literatur. In
hebräischer Sprache veröffentlichte er gegen Ende der 1950er Jahre
erste Erzählungen, in denen er Probleme der jüdischen Überlebenden
beschreibt. Darüber hinaus findet die verlorene Welt seiner Kindheit
immer wieder Eingang in seine vielfach preisgekrönte Literatur. Was
bei all dem Leid, das Aharon Appelfeld schon seit frühen Jahren
widerfahren ist, immer wieder verblüfft: Es ist keine Bitterkeit in
seinen Worten zu spüren. Zu allen Zeiten, auch den schrecklichsten,
habe es immer auch positive Momente gegeben, wie auch liebevolle
Menschen, erzählt er, und dieses „Gute war lebensrettend“. „In
diesen Jahren“, so schreibt Aharon Appelfeld in ‚Geschichte eines
Lebens‘, „traf ich dort einige wunderbare Menschen … Sie saßen an
den Tischen, und aus ihren Augen leuchtete die Nächstenliebe.“ Maria
Harmer hat Aharon Appelfeld anlässlich seines Wienbesuchs getroffen.
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