Motive - Glauben und Zweifeln

Sonntag, 25. 03. 2012, 19.04 Uhr bis 19.30 Uhr Österreich 1

 

 

 

„Die Sehnsucht nach dem Edelmenschen“ – Karl May und die Religion

 


Kara ben Nemsi (Karl, Sohn der Deutschen) und Old Shatterhand, die literarischen Alter Egos des vor 100 Jahren gestorbenen Karl May, sind scharfsinnig, tollkühn, gebildet und edel. Und immer wieder inszeniert sie der Autor als deutsch und christlich. Selbst der Apachen-Häuptling Winnetou fühlt sich – infolge der jahrelangen Freundschaft mit Old Shatterhand - in seinem Sterben als Christ: „Schar-Iih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!“

 

Wer die Winnetou-Erzählungen oder den sogenannten „Orient-Zyklus“ („Durch die Wüste“…) liest, kann sich mitunter des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein Missionar und nicht ein Abenteurer unterwegs ist. Und das war Karl May wohl auch - im Sinne eines überkonfessionellen Christentums. Andere Religionen schnitten durchaus schlechter ab, und so manche noch heute gängigen Vorurteile gehen mitunter wohl auch auf eine Karl-May-Lektüre zurück. Als freilich Karl May im Alter tatsächlich den Orient bereist hatte, schrieb er in seinem Spätwerk viel freundlicher über den Islam.

 

Über die religiöse Entwicklung Karl Mays während seiner Kindheit und Jugendzeit finden sich nur wenige Angaben in seiner Autobiographie. Da die Eltern evangelisch-lutherisch waren, wurde er auch so getauft, besuchte den Religionsunterricht und wurde 1856, mit 14 Jahren, konfirmiert. May betont, dass eine Abneigung gegen Andersgläubige von niemandem gefördert wurde, weder vom Pfarrer noch von den Lehrern. "Und die, auf die es hier am meisten ankam, nämlich Vater, Mutter und Großmutter, die waren alle drei ursprünglich tief religiös, aber von jener angeborenen, nicht angelehrten Religiosität, die sich in keinen Streit einlässt und einem jeden vor allen Dingen die Aufgabe stellt, ein guter Mensch zu sein". 
Gestaltung: Martin Gross