Feiertagsdokumentationen 

01. 05. 03, 9.05 - 9.30 Uhr, Radio Österreich 1

 

 

“Die Roten und die Kirche“

 

Das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und der Sozialdemokratie war über Jahrzehnte sehr angespannt. Die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierende Sozialdemokratie hat zur „Befreiung“ der Menschen ganz andere Wege eingeschlagen als die Kirche. Es gab einerseits eine starke Verankerung der Menschen im kirchlichen Denken, andererseits aber auch eine Ablösung durch die immer heftiger werdende soziale Frage. Das führte zur verstärkten karitativen Arbeit kirchlicher und kirchennaher Institutionen (Orden, Kolping, Hl. Josef als der Prototyp des starken Mannes). Gegipfelt hat das in der Papstenzyklika „Rerum novarum“ (1891/92), als Papst Leo XIII die soziale Frage zentral thematisierte. Dadurch ist auch ein „christlich-sozialer“ Standpunkt herzuleiten. Die Wirkung von „Rerum novarum“ hat jedoch die sozialen Spannungen der Zeit und die Abwehrhaltung gegen jede Form des Marxismus (als gottlose Ideologie) nicht entkräften können.

 

So ist die Spannung zwischen Kirche und Arbeiterschaft bis tief ins 20. Jahrhundert bestehen geblieben. Zu einer dramatischen Verschärfung kam es in der Zeit des Austrofaschismus. (Kardinal Innitzer). Erst in der Nach-Innitzer-Zeit ist die Annäherung erfolgt. Die zentrale Persönlichkeit ist Kardinal König, der eine Öffnung der Kirche zur Sozialdemokratie vorantrieb. Der zentrale kirchenhistorische Bezugspunkt war das Zweite Vatikanische Konzil. Die Öffnung der Kirche in alle Richtungen (auch in der sozialen Frage) war die Folge.

 

In Österreich ist die Annäherung zwischen Kirche und Sozialdemokratie durch die Achse König-Kreisky erfolgt. Dieser Tradition ist auch Kirchschläger gefolgt. Das Blockdenken Sozialdemokratisch vs. Christlichsozial ist überwunden worden. Das kirchliche Engagement in Fragen der Gerechtigkeit im sozialpolitischen und karitativen Bereich zeigt sich an aktuellen Projekten (Sozialwort, Arbeiterpastoral, Betriebsseelsorge, Caritas, Lichtermeer etc.).

 

Gleichzeitig gibt es starke Verbindungen zwischen kirchlichen Gruppen und neuen sozialen Bewegungen (etwa Dritte-Welt-Gruppen). Auf dieser Plattform sind Kooperationen zwischen „Roten“ und „Kirche“ inzwischen üblich.

 

Gestaltung: Wolfgang Slapansky