Tao - Religionen der Welt

Sonntag, 01. 11. 2007,  19.05 Uhr - 19.30 Uhr,
Österreich 1

 

 

 

„Ist der Islam eine Gefahr für den Westen?“ –

Analysen des Politologen und Islamkenners Werner Ruf

 

 

Die islamische Religion ist in den letzten zwei Jahrzehnten verstärkt zu einem Kristallisationspunkt ihres kulturellen und auch politischen Selbstverständnisses für die Menschen in diesem Kulturraum geworden.

 

Der unbestreitbare Tatbestand eines in vielen muslimischen Gesellschaften zu beobachtenden Re-Islamisierungsprozesses wurde, vielleicht nicht zufälligerweise, unmittelbar nach dem Ende des Ost-West-Konflikts zum Erklärungsmodell zukünftiger Weltkonflikte erhoben. Seinen popularisierten Höhepunkt fand dies in den vieldiskutierten Thesen des amerikanischen Politologen Samuel P. Huntington.

 

Für den renommierten, an der Universität Kassel lehrenden Politologen und Islamkenner Werner Ruf ist Huntingtons Modell vom „Kampf der Kulturen“ höchst fragwürdig. Denn es suggeriert, dass das Aufbegehren in den islamischen Ländern und die zahlreichen sich auf islamische Prinzipien berufenden sozialen Bewegungen als ein geschlossenes Ganzes zu verstehen sind. Doch die jeweiligen nationalen geschichtlichen Prägungen sind zu verschieden, die Interessen der einzelnen Gruppierungen, und – folgerichtig – die jeweiligen Interpretationen der islamischen Quellen für aktuelle politische Zielsetzungen zu unterschiedlich. Denn es geht den islamistischen Bewegungen weniger um die Herstellung irgendwelcher gottesstaatlicher politischer Systeme als um die Eroberung der politischen Macht und die Vertreibung der autoritären und diktatorischen Regime, die seit Jahren die orientalischen Gesellschaften im polizeistaatlichen Griff halten, die die politische Herrschaft zu ihrer privaten Bereicherung benutzen und jede Legitimität verloren haben.

 

Bestätigt nicht der Westen, indem er sich frontal gegen alle mehr oder weniger islamistischen Bewegungen stellt, das alte Klischee und Vorurteil, wonach es dem Westen nur um einen schon Jahrhunderte dauernden Kampf gegen die Völker dieser Region, ihre Kultur und Religion gehe?

 

Werner Ruf zeigt auf, wie das westliche Feindbild Islam mit einer konfrontativen Politik nur die radikalen Kräfte fördert, weil die gemäßigten in der Kompromisslosigkeit beider Seiten keine Chance der politischen Vermittlung erhalten. Der Westen braucht dringend eine differenzierte Sicht der Konflikte in der islamischen Welt, damit die Basis für eine konstruktive Sicherheitspolitik für Orient und Okzident zugleich entwickelt werden kann.

Gestaltung: Johannes Kaup