Das Evangelische Wort

Sonntag, 25. 12. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Bischof Herwig Sturm

 

 

"Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbei gekommen." (Röm. 13, 12)

 

Das trifft die Situation des Tagesanbruchs, jetzt; der Apostel Paulus meint mit diesem Satz aus dem Römerbrief aber mehr, nämlich die Wirklichkeit der Welt nach Weihnachten und damit auch die Verheißung und die Chance jedes einzelnen Lebens.

 

Der Heilige Abend mit seiner Hektik, mit seinen Überraschungen, mit der großen festlichen Bescherung ist vorbei, der erste Weihnachtsfeiertag ist ein Tag der Ruhe, der Telefonate,  des guten Essens, der Besuche.

 

Ich denke jetzt an die Weihnachtsgeschichte aus dem Neuen Testament, an die Hirten in Bethlehem, über denen mitten in der Nacht der Himmel aufgegangen ist in strahlendem Licht und die Engel gesungen haben „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden; denn ein Kind ist uns geboren“, und sie gehen hin und finden Maria und Josef und das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.

 

Wie geht es diesen Hirten am nächsten Tag? Ich nehme an, dass sie beisammen sitzen und bereden, was dies bedeutet: Der Himmel hat uns nicht vergessen; Gott kommt dorthin, wo man ihn am wenigsten erwartet, zu den Analphabeten, zu den Armen, zu den gar nicht Frommen.

 

Der Jubel im Himmel war großartig, was machen wir damit auf der Erde, wie bewahren wir das Licht in der Finsternis, in all der Not und dem Elend unter den Menschen?

 

Ich werde das nicht mehr vergessen, sagt einer, ich will es den Kindern und Kindeskindern erzählen. Wir wissen jetzt etwas, was viele andere Menschen nicht wissen, sagt ein anderer. Jetzt haben wir doch einen Auftrag, das zu verkünden. Der König der ganzen Welt ist zu uns gekommen, sagt ein Dritter. Jetzt sind wir auch Könige. Bleib am Boden, sagt der Vierte, mir genügt es schon, dass ich gleich viel wert bin wie alle anderen. Und wer kümmert sich heute um diese Familie?, sagt vielleicht der Fünfte und nimmt Butter, Milch und Käse und geht wieder hin zum Stall.

 

Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. Und Paulus fährt fort, lasset uns nun ablegen die Werke der Finsternis und anlegen, die Waffen des Lichts.

 

Dieses Jahr war das Gedenkjahr 60 Jahre Ende des Krieges und der Nazi-Herrschaft, 50 Jahre Staatsvertrag, freies und neutrales Österreich, Brücke zwischen Ost und West. 10 Jahr Mitglied in der EU. Europa wächst zusammen und in die Breite; bei allen Wachstumsschmerzen ist es doch ein Wunder, dieses Projekt des Friedens, dieser Raum der Menschenrechte und Menschenwürde.

 

Diese Chancen der Begegnung, der Forschung, des kennen Lernens anderer Länder und ihrer Kulturen. In den nächsten sechs Monaten wird Österreich unter dem Zeichen der Präsidentschaft in der EU stehen; ich sehe das als eine große Herausforderung an unsere politische Klugheit, an unsere Fähigkeit, zwischen Menschen und Völkern zu vermitteln und auch als große Herausforderung an die Kirchen, ihre europäischen und internationalen Netze einzusetzen zur Ehre Gottes und zum Frieden auf Erden.

 

Eine besondere Freude macht mir das Mozartjahr, wenn ich Mozart höre, dann geht mir auch der Himmel auf. Der große Theologe Karl Barth hat Mozart sehr geliebt und jeden Tag mit Musik von ihm begonnen. In seiner humorvollen Art hat er gesagt: Wenn der liebe Gott dabei ist, dann spielen die  Engel im Himmel J. S. Bach, aber wenn er weg geht, dann spielen sie Mozart.

 

Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachten, die Zuversicht, das Gott zu uns kommt und wir Könige sind, befreit, unsere Vergangenheit zu bewältigen und unsere Erinnerungen zu heilen. Ich wünsche Ihnen für das neue Jahr einen offenen Himmel, immer wieder Den Himmel der Versöhnung, den Himmel der Hoffnung, den Himmel der Liebe. Und – wenn Sie wollen - viel Mozart.