Das Evangelische Wort

Sonntag, 05. 02. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Zum Gedenken an Dietrich Bonhoeffer, geboren am 4.2.1906

von Oberkirchenrätin Dr. Hannelore Reiner

 

 

Auf den Tag genau gestern vor 100 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer in Breslau geboren. Viele Veranstaltungen rund um diesen Geburtstag erinnern an einen großen Theologen des 20. Jahrhunderts und an einen Christen, den sein konsequenter Glaube schließlich ins Gefängnis und in den Tod geführt hat.

Bis heute werden seine theologischen Gedanken zitiert. Bis heute lassen sich junge und alte Menschen durch seine Verse wie etwa jenen von den „guten Mächten, die uns wunderbar geborgen halten“ trösten. Bis heute prägen seine Briefe und Bücher das glaubende Denken vieler Christen.

Dabei wird leicht vergessen, dass Dietrich Bonhoeffer – so wie jeder andere Mensch – selbst entscheidende Prägungen in seinem Leben erfahren hat, die ihn zu dem werden ließen, was er war: ein Zeuge Jesu Christi in dunkler Zeit.

 

Ich denke an Paula Bonhoeffer, seine Mutter. Aufgewachsen in der ehemaligen deutschen Stadt Breslau, theologisch und kulturell gebildet und an pädagogischen Fragen von klein auf interessiert. Ihren Klavierunterricht erhielt sie bei Clara Schumann. Wen wundert’s, dass Bonhoeffer später selber gerne am Klavier saß. Acht Kinder hat sie zur Welt gebracht und diese selbst die ersten Schuljahre unterrichtet. Ihre erwachsenen Kinder haben sie später als äußerst konsequent und zugleich liebevoll beschrieben. Am Abend betete sie mit den Kindern und sang mit ihnen Abendlieder. In ihr erlebten sie ein Christentum der Tat, das sich am Liebesgebot der Bibel orientierte: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst“.

Ich denke an Sabine Leibholz, geborene Bonhoeffer. Sie war Dietrichs Zwillingsschwester, was bewirkte, dass sich die beiden im Geschwisterkreis besonders nahe standen. Mit Sabine hat Dietrich bis zum zehnten Lebensjahr das Zimmer geteilt. Und es gab lange Bettgespräche zwischen beiden Kindern, auch über Themen wie Tod und Ewigkeit. Als sich die Wege äußerlich trennten, blieb die nahe innere Beziehung dennoch bestehen. Sabine war mit einem Mann jüdischer Herkunft verheiratet, was für diesen Berufsverbot und schließlich Emigration der ganzen Familie Leibholz nach England bedeutete. Sabines Schicksal stand im Hintergrund, wenn Bonhoeffer seinen Vikaren und allen Christen und Christinnen ins Stammbuch schrieb: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“

 

Schließlich ist Maria von Wedemeyer zu nennen. Durch die Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen ihr und Dietrich Bonhoeffer ist die Liebesbeziehung der beiden bekannt geworden. Maria lernte Bonhoeffer als junges Mädchen, als Konfirmandin kennen. Im Juni 1942, also mitten im Krieg  begegneten sie einander wieder. Dietrich stand bereits im 37. Lebensjahr. Maria war zu diesem Zeitpunkt gerade 18. Der Altersabstand, aber mehr noch die äußeren Bedingungen sprachen gegen eine gemeinsame Zukunft. Dennoch lassen sich beide darauf ein. Im Jänner 1943 verlobten sie sich und schon im April desselben Jahres wurde Bonhoeffer verhaftet. Maria war es, die mit ihrer tiefen Liebe Bonhoeffer glauben und hoffen ließ, dass Gott das Glück der Menschen will und dass Gott zu finden ist im Diesseits, im Hier und Heute.