Das Evangelische Wort

Sonntag, 12. 03. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

von Superintendent Mag. Manfred Sauer (Diözese Kärnten-Osttirol)

 

 

Aus Ps.121

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.

Woher kommt mir Hilfe?

Meine Hilfe kommt von dem Herrn,

der Himmel und Erde gemacht hat.

Der Herr behütet dich, er behütet deine Seele."

 

Als Depression bezeichnet man eine Erkrankung, die als wichtigstes Symptom eine seelische Niedergeschlagenheit aufweist, insgesamt aber den Menschen in seiner psychischen und körperlichen Gesamtheit betrifft. Je nach Definition der Diagnosekriterien sind zwischen fünf und 20 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von dieser Krankheit betroffen, am häufigsten tritt sie am Ende des dritten Lebensjahrzehnts auf. Die Grenze zwischen normaler Niedergeschlagenheit und der eigentlichen Depression ist dabei fließend – so kann man im Internet lesen.

 

Unbestritten ist, dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, darunter zu leiden. Dabei gibt es unterschiedliche Schmerzgrenzen und unterschiedliche Wahrnehmung. Einerseits geht man mit dem Wort depressiv viel leichtfertiger um, als noch vor einigen Jahren. So kann es leicht passieren, dass auf die Standardfrage: Wie geht es dir? unverblümt die Antwort zurückkommt: ich fühle mich etwas depressiv. Andererseits werden Depressionen von der Gesellschaft immer noch unterschätzt und von der Umwelt auf die leichte Schulter genommen. Nach dem Motto: Reiß dich endlich zusammen! Such dir eine neue Herausforderung! Tu was gegen deine Niedergeschlagenheit.

 

Manes Sperber dem anlässlich seines 100.Geburtstages bis vergangenen Freitag eine Ausstellung im jüdischen Museum gewidmet wurde, war auch eine Zeit lang Assistent bei dem bekannten Individualpsychologen Alfred Adler. In einer Vorlesung, begann Alfred Adler eines Tages von einer Patientin zu erzählen, die an starken Depressionen litt. Nach mehreren Sitzungen meinte Adler: Ich hätte eine Therapie für sie, es ist aber eine Rosskur und eigentlich nur schwer zuzumuten. Auf Drängen der Patientin riet Adler: Versuchen sie die nächsten beiden Wochen mindestens einmal am Tag eine halbe Stunde darüber nachzudenken, wie Sie einem andern Menschen etwas Gutes tun, oder ihm helfen könnten.

Ein für mich faszinierender Vorschlag. Die Kräfte und Spannungen, die ich auf mich selber verwende und konzentriere, abzuleiten und umzulenken. Die erdrückende Starre einer Selbstbezogenheit überwinden, indem ich von mir weg auf andere hin schaue. Indem ich einen Teil meiner  Energie wieder dem Nächsten zuwende.

 

Auch Martin Luther litt, wie wir wissen, zeitweise unter starken Anfechtungen, Selbstzweifeln und Depressionen. Er beschreibt dieses Gefühl als incurvatus in se, ein auf sich selbst bezogen und konzentriert sein, dass zu einer tödlichen Spirale werden kann.

Für Luther kommt die Befreiung von außen. Nicht von ihm selber, sondern von Gott, wie es im 121. Psalm heißt: Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Woher kommt mir Hilfe?

Wer hilft mir, wenn es mir schlecht geht, wenn ich niedergeschlagen bin,

wenn ich unter Depressionen leide?

 

Für mich ist beides wichtig: die kompetente Hilfe von außen, aber auch das Vertrauen und die Hinwendung im Glauben, dass Gott mir neue Kraft gibt. Dass er mir hilft und meine Seele aufrichtet. Dass ich meine Augen aufhebe und den Nächsten wieder in meinen Blick bekomme.