Das Evangelische WortSonntag, 26. 03. 2006, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von
Pfarrer Peter Karner Bibelzitat:
Micha 3/9 – 12 „Hört
doch zu, ihr Oberhäupter und Chefs. Ihr macht alles Gerade krumm
und versorgt die Menschen mit Unrecht. Und dabei verlasst ihr euch
auf Gott und sagt: ‚Ist nicht Gott in unserer Mitte?! Es kann kein
Unglück über uns kommen.’ Ihr seid schuld, wenn aus der Stadt
ein Trümmerhaufen wird.“ Seit
den biblischen Zeiten reden sich die Menschen mit Erfolg ein: „Es
kann kein Unglück über uns kommen!“ Oder auf gut weanerisch:
„Es wird scho nix passieren!“ Der aufmerksame Zeitungsleser und
Nachrichtenkonsument staunt: Was macht eigentlich die „lieben
Leute“ so sicher und sorglos? Denn die Lebenserfahrung bestätigt
diesen Optimismus auf keinen Fall. Kriegerische
Auseinandersetzungen, Terroranschläge, Naturkatastrophen, Hungersnöte
usw. gehören ja zum täglichen „Horror-Brot“ der Menschheit.
Und ein globalisiertes Nachrichtenwesen sorgt verlässlich dafür,
dass keine noch so kleine Untat verborgen bleibt. Aber dem
Optimismus der Leute kann diese Realität nichts anhaben. Was immer
auch geschehen mag: „Es wird scho nix passieren!“ Oder noch
massiver: „Uns wird nix geschehn!“ Es
könnte natürlich sein, dass dieser unzerstörbare Optimismus eine
„österreichische Lebensweisheit“ ist. Schließlich hat uns
schon ein „unfehlbarer Papst“ als „Insel der Seligen“
bezeichnet. Wem dauernd nix passiert, der neigt verständlicherweise
dazu, anzunehmen, dass höchstens in anderen Ländern ein Unglück
geschieht. Speziell die Wiener tun dann so, als hätten sie einen
garantierten Anspruch auf das „Happyend“. Aber
man täusche sich nicht, hier findet ja eine gefährliche
Ersatzbefriedigung statt. Als 1944/45 unsere Städte zerbombt waren
und viele Menschen kaum mehr etwas zu essen hatten, wurde ein
Happyend-Film nach dem andern produziert. Die Ausgebombten gingen
ins Kino, um sich die „heile, unzerstörte Welt“ anzusehen.
Europa versank im Chaos, aber zur Ablenkung und Unterhaltung wurde
die Wirklichkeit als ein nicht endenwollender
Operettenfilm vorgeführt. Der
biblische Prophet Micha, einer der schärfsten Analytiker der
Weltgeschichte, hat diese Mechanismen durchschaut. Dieses falsche
Sicherheitsbewusstsein hat etwas mit Religion zu tun. Und deshalb
kritisiert Micha die verantwortungsresistenten Leute, die die
Religion für ihre Zwecke zu einer Art infantilem Betäubungsmittel
entwickelt haben. Oder „auf herzig-fromm“ gesagt: Was immer sie
auch anstellen würden, Gott würde es doch nicht übers Herz
bringen, deshalb ein Unglück geschehen zu lassen. Doch
dieses geradezu „kindische Sicherheitsgefühl“ feiert heutzutage
erstaunlicherweise außerhalb der Kirche – und das am Anfang des
3. Jahrtausend – wahre Triumphe. Haben sich früher kirchliche,
faule und verantwortungslose Tschapperln immerhin auf einen allmächtigen
Gott verlassen – auf wen, bitteschön, verlassen sich eigentlich
ihre unfrommen Gesinnungsgenossen? Und
so findet nach jedem Atomunfall das gleiche Polit-Theater statt. Die
„happyend-gläubigen“ Christen und Atheisten sind erfahrungsgemäß
leicht zu trösten: Zugegeben, es ist etwas passiert, aber in
Wirklichkeit kann gar nichts passieren! Aber die möglichen Opfer
eines Gaus sind gar nicht die Schlimmsten, sondern die Geschäftemacher
der Atomlobby; die haben nämlich noch immer nicht begriffen, dass
es einmal auch für sie kein unverstrahltes Platzerl geben wird.
Dazu hat allerdings der Teufel noch die intellektuellen Verharmloser
und die korrupten Fachidioten geschaffen. In
einer Zeit, wo viele Österreicher und Österreicherinnen täglich
Stunden via Fernsehen in virtuellen Welten verbringen, hoffe ich auf
Filme mit schlechtem Ausgang – aus Verantwortung! Ich weiß nicht,
ob der Prophet Micha geglaubt hat, dass die Menschen aus schlechten
Erfahrungen lernen würden. Aber er will uns wenigstens ersparen,
dass wir durch unsere „Happyend-Romantik“ verblödet werden.
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