Das Evangelische WortSonntag, 02. 04. 2006, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
Von
meinem „Mantel des Glaubens“ und dem der anderen Pfarrer Andreas
Fasching Seit dem Karikaturenstreit vergeht kaum ein Tag, an dem
ich nicht in irgendeiner Weise mit medialen Zerrbildern von
muslimischem Fanatismus und Fundamentalismus auf der einen Seite und
von christlicher oder westlicher Liberalität auf der anderen Seite
konfrontiert bin: Antisemitische Hasstiraden im Iran. Betonen der
Meinungsfreiheit in Europa. Wettbewerb für Holocaust-Karikaturen.
Muslimische Britin muss Schuluniform tragen. Afghanischer Christ vor
Todesstrafe. Debatte über muslimische Zwangsehen in Europa. – Die
Welt scheint zerrissen zwischen Guten und Bösen. Menschen geraten
zwischen die Meinungsfronten, an denen Politik und Religion vermengt
werden, und sind verunsichert. Vielleicht haben europäische Christen
vergessen, wie sehr unsere eigene Tradition von militaristischen
Idealen bestimmt ist. Paulus schreibt vom „guten Kampf“, von
„Waffen“ und vom „Sieg“. Benedikt bezeichnet in seiner
Lebensregel den Mönch als jemand, der für Christus als wahren König
mit den glänzenden Waffen des Gehorsams Soldat sein will. Aggressiv
kommen mir die alten Bilder entgegen. Sie wollen dazu bewegen, hart
gegen sich selbst vorzugehen, während gegen andere Sanftheit und Zärtlichkeit
empfohlen wird. Aber die aggressive Härte gegen sich selbst schlägt
notwendig in äußere Aggression um. Außerdem ist mit den
kriegerischen Vorstellungen ein starkes Elitebewusstsein und ein
deutlicher Absolutheitsanspruch verbunden. Wie zur Bestätigung
tauchen vergangene Bilder der Kreuzzüge, der Ketzervertreibungen,
der Hexenverbrennungen, des Antisemitismus vor mir auf. Umgekehrt
frage ich mich, ob jemand ohne die Klarheit von richtig und falsch
an das Eigene glauben kann. Wird dann nicht mein eigener Weg in
Zweifel gezogen und meine Identität brüchig? Kann ich als Christ
überhaupt liberal sein, ohne meine Überzeugung aufzugeben? Dorothee Sölle hat einmal den Gauben mit
einem weiten Mantel verglichen, den ich geerbt habe, an dem ich
weiter webe und nähe und in den ich mich bergen kann. Jede und
jeder muss einen solchen Mantel für die eigenen Wünsche und Sehnsüchte
finden. Nur mit ihm bekommt mein Leben Konturen, bin ich für andere
erkennbar. Der Mantel der Hoffnung ist keine globale, zeitlose
Einheitskonfektion. Er trägt eher die Züge von Tracht, ist von
lokalen Akzenten geprägt. Je stärker ich diesen Mantel mit meinen
Enttäuschungen und Fragen, meinem Ringen und Hoffen durchwebe, umso
besser wird er mir passen. Ich darf mich demnach als Christ in meinen
Mantel bergen, mich an ihm freuen und meine Hoffnungen in ihm
verwoben wissen. Aber ich brauche ihn nicht aller Welt als
Einheitsuniform aufdrängen. Es gibt auch andere Mäntel der
Hoffnung. Das braucht mich nicht zu irritieren, noch macht es meinen
wertlos oder relativ. Denn ich habe keinen anderen, und kein anderer
passt mir so wie er. Ich darf also liberal sein. Ich kann mir als
Christ die Freiheit nehmen, andere Entwürfe menschlicher Hoffnung
nicht mit dem Verdacht der Falschheit oder Unwahrheit zu begegnen.
Wenn ich in meinem Glauben fest stehe und in meiner eigenen
Tradition zu Hause bin, dann fühle ich mich durch eine mir fremde
Gestalt des Glaubens nicht bedroht. Das Fremde wird mein Interesse
wecken und mich reicher machen als ich es jetzt bin. Denn mehr als
das Trennende, werde ich die Übereinstimmung in den Hoffnungen und
Wünschen an das Leben entdecken.
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