Das Evangelische Wort

Sonntag, 23. 04. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

                    

von Mag. Barbara Knittel

 

 

"Einen Atheisten kann ich nicht entdecken in mir. Dafür aber lebt ein Heide in mir". Dieser Gedanke von Kurt Marti, dem Schweizer Dichter und Theologen ist mir in den letzten Tagen nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Die Heidin in mir kenn ich auch. Gerade jetzt, nach Ostern, wo mir noch so viele Worte zu Tod und Auferstehung im Ohr sind. Jesus Christus ist auferstanden – das ist ein Kernsatz christlichen Glaubens. Ich kann ihn nachsprechen, versuchen zu verstehen, aber letztlich erklären kann ich ihn nicht. Vieldeutig, nicht  eindeutig glaube und denke ich da.

 

Manchmal ist es für mich hilfreich, über den Rand des Christentums hinauszugehen. Damals, in biblischer Zeit, hat man alles, was nicht Jüdisch, nicht Christlich war als Heidnisch bezeichnet. Wenn ich jetzt Gedanken aufnehme, die aus anderen religiösen Traditionen kommen, dann regt sich in mir zumindest nach damaliger Vorstellung die Heidin.

 

Zum Beispiel zu Tod und Auferstehung – Ich  denk immer wieder dran, dass der Tod auch ein Versinken in nirvanische Leere sein könnte, wie es die Buddhisten für möglich halten. Das ist für mich wie eine Übung, wenn die  Bilderwelt von Auferstehung und einem Leben nach dem Tod zu farbig wird. Zeitweise auf diese Bilder zu verzichten, das lässt mich bescheidener werden.  Zwar habe ich Menschen bis zu ihrem Tod begleitet. In der Todesnähe haben mich Atmosphären, Ahnungen erfasst, aber wo die Verstorbenen hingegangen sind, das weiß ich nicht.

 

Wenn ich nun biblische Texte befrage, fühl ich mich verstanden. Das Alte Testament ist ganz zurückhaltend, wenn es um Jenseitsthemen geht. Und beim auferstandenen Jesus fällt mir  sein Schweigen über seine Jenseitserfahrungen auf. Wie er seinen Freunden erschienen ist, war das zum Beispiel auf der Strasse von Jerusalem nach Emmaus, diskutierend, erklärend. Ganz sparsam wird erzählt, - seine Freunde erkannten ihn an der Geste des Brotbrechens. Nicht mehr und nicht weniger.

 

Oft werde ich auch gefragt: Glaubst Du an eine Wiedergeburt?  Früher kam ich bei solchen Fragen ins Schleudern. Ich sollte ja eine Antwort wissen. Heute stehe ich dazu, dass es für mich keine eindeutige Antwort gibt, aber meine Heidin in mir entspannt sich beim Gedanken an eine Wiedergeburt. Wie gut, es muss nicht alles in diesem Leben beendet und gelöst werden. Ich kann unfertig sterben. Unfertig sterben zu dürfen? Auch da merke ich eine Verbindung.  In biblischer Sprache ist es göttliche Gnade, mit der auch unfertig Sterbende umfangen werden. Mir persönlich ist es nicht so wichtig, ob Wiedergeburt  oder ein anderes Weiterleben nach dem Tod. Das Vertrauen, dass  Gott mich jetzt und dann umfängt, das ist mir wichtig.

 

So hilft mir meine Heidin, Verbindungen zu finden. Nicht in der Art, dass ich mir aus anderen religiösen Traditionen herauspicke, was mir angenehm und erhebend erscheint. Eher werde ich in ganz existenziell herausgefordert,  - gerade in meinem Osterglauben und in meinen Osterzweifeln – hinüber zu sehen, zu denen, die in der Bibel Heiden genannt werden. Zumindest in den meisten deutschen Übersetzungen heißen sie so.  Im Griechischen sind es ganz einfach die anderen Völker. Eigentlich höchst aktuell, voll Respekt hinüberzusehen, zu dem, was in anderen Völkern über Leben und Tod gedacht und geglaubt wird. Anknüpfend an den ersten, der das mit großem Engagement gemacht hat, an Paulus , dem die anderen Völker, genauso wie die Juden, wichtig waren, wenn er z. B. an die Gemeinde in Rom schreibt:

 

 

Ist Gott der Juden-Gott allein? Nicht auch der, der Völker? Doch – auch der anderen Völker. (Röm.3/29 b)