Das Evangelische Wort

Sonntag, 30. 04. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Diakon Michael Kamauf

 

 

Morgen ist der 1. Mai, das ist der „Tag der Arbeit“...

 „Arbeit haben“ oder „arbeitslos sein“...diese beiden Kriterien beschäftigen uns Menschen und sind wichtige gesellschaftspolitische Themen. Es geht um unseren Lebensstandard im Allgemeinen und um die Potenz der Wirtschaft im Besonderen. Ein hoher Funktionär der Wirtschaftsvertretung meinte einmal: „Das Kapital ist wie ein scheues Reh“.

 

Das Thema „Arbeit und Leben“ ist auch ein biblisches Thema und ein wichtiges Anliegen. Und manche Geschichten der Bibel sind für uns Menschen oft schwer verständlich und kaum nachvollziehbar. Manche Geschichten stellen unser Denken in Märkten gehörig in frage.

 

Eine dieser provokanten Geschichten ist die von den Arbeitern im Weinberg, die Jesus im Matthäus- Evangelium erzählt:

Da beauftragt ein Weinbergbesitzer seinen Mitarbeiter, dass er Arbeiter für die Weinernte anheuern soll, er verspricht diesen Arbeitern den üblichen Tageslohn von einem Silberstück. Einige Zeit später erkennt der Chef, dass er noch mehr Arbeiter braucht und heuert wieder welche an, das Ganze wiederholt sich dann ein drittes Mal - fast am Ende des Arbeitstages. Nach Dienstschluss versammeln sich nun die Tagelöhner um ihre Bezahlung zu bekommen, der Verwalter zahlt zuerst an die zuletzt angestellten Arbeiter das Silberstück aus, dann an den in der Mitte des Tages angestellten  und zum Schluss an die am längsten Arbeitenden. Sie alle bekommen jeweils das ausgemachte Silberstück. Daraufhin beginnen die, die schon seit der Früh geschuftet haben, sich aufzuregen. Und das ist ja auch ganz verständlich, denn sie haben ja viel länger und viel schwerer gearbeitet als die, die am Ende des Tages dazu gekommen sind. Doch der Weinbergbesitzer bleibt dabei: Alle bekommen soviel Entlohnung wie es ausgemacht war. Und er sagt trotzig: „Übrigens ist das ja auch meine Sache, was ich mit meinem Geld mache“.

 

Und Jesus sagt am Anfang, dass der Chef in der Geschichte Gott ist: „Wenn Gott sein Werk vollendet, wird es sein, wie bei einem bestimmten Weinbergbesitzer.“

 

Wir leben in einer komplett anderen Lebenswirklichkeit als uns dieses Gleichnis weismachen möchte. „Was ist das für ein Mäzen, was für ein übertrieben großzügiger,  eigentlich spinnender Weinbergbesitzer? Der ist völlig durchgeknallt und versteht nichts vom modernen Wirtschaftsleben! Am liebsten wollen wir diesem Unternehmer einen Kurs in Wirtschaftsführung bezahlen. „Als positives Beispiel können wir so etwas nicht gelten lassen. Wo käme denn da unser schwerstverdienter Wohlstand hin?“ Dieser Chef ist ganz anders als die Chefs die wir kennen und erleben. So als ob er nur auf eine Art „sozialer Vollbeschäftigung“ und nicht auf Gewinn schauen würde; so sammelt er alle, die herumstehen  um sie auch noch im Weinberg arbeiten zu lassen. Und es gibt sogar so etwas Ähnliches wie einen Kollektivvertrag. Am Anfang steht ja, dass er sich mit den Arbeitern auf den ÜBLICHEN TAGESLOHN, nämlich dieses Silberstück, einigte!“

 

Der Chef hält sich an die Abmachung zu der  auch die ersten Arbeiter JA gesagt haben. Es bleibt die Frage, warum sich unser Chef UNGERECHTIGKEIT vorwerfen lassen muss, wo er sich doch genau an alle Abmachungen gehalten hat. Wahrscheinlich liegt es an unserem gelernten und immer schon erlebten Verständnis, dass man für unterschiedliche Leistung auch unterschiedlichen Lohn kassieren muss.

 

Ich glaube, dass wir als Christen und Menschen verpflichtet sind, nicht nur den Wert „Arbeit“ als Kriterium für unsere Mitmenschen gelten zu lassen. Wir müssen auch und vor allem gegen allen sozialen Wahnsinn in unserem Leben eintreten. Das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg ruft uns Menschen zur gelebten Solidarität untereinander auf. Wir haben Alternativen zum gnadenlosen Kapitalismus. Wir haben Alternativen für Menschen, die vielleicht etwas länger brauchen, um etwas zu begreifen; für Menschen, die bisher weniger Chancen im Leben hatten als Andere. Und Gott misst uns Menschen nicht bloß in „Arbeit“ und „Leistung“.

 

Darf ich vorstellen: Die Damen und Herrn VERSTÄNDNIS, TOLERANZ, ZEIT und LIEBE! Sie sind wohl die besten Ausbilder und Arbeitgeber die man sich wünschen kann.