Das Evangelische Wort

Sonntag, 07. 05. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Peter Pröglhöf

 

Paula wartet seit fast zwei Wochen schon ganz gespannt. Sie geht in die 4. Klasse einer Volksschule und ihre Eltern haben sie in einem Gymnasium angemeldet. Nur leider gibt es dort viel zu viele Anmeldungen, und nach einem weiteren Aufnahmegespräch muss sie nun warten.

 

So geht es in diesen Tagen vielen Kindern. Der Abschluss der Volksschule ist ohnehin eine sehr einschneidende Erfahrung, die Vieles verändert: Der Abschied von der vertrauten Umgebung, den Freunden und Freundinnen, der Lehrerin oder dem Lehrer ist nicht leicht. Und noch dazu gelingt es dann manchmal nicht, in die gewünschte Schule aufgenommen zu werden.

 

Das passiert nicht nur Kindern mit schwächeren Leistungen, sondern auch Kindern, die fast nur Einser im Zeugnis haben. Das kann für diese Kinder schon eine schlimme Infragestellung sein. “Warum werde gerade ich nicht genommen, obwohl ich doch so ein gutes Zeugnis habe? Bin ich nicht gut genug für diese Schule? Oder bin ich überhaupt nicht gut genug?”

 

Gerade bei den leistungsstarken Kindern ist das nicht ganz ungefährlich. Wenn die Aufnahme einfach nur nach der Leistung geht, bleibt das eher auf einer äußeren Ebene: Da gibt es immer noch vieles Andere, was zur Identität eines Kindes gehört. Wenn sich Kinder aber als Person abgelehnt fühlen - denn was sollte sonst der Grund für die Ablehnung sein, wenn sie eh so gute Leistungen bringen - dann wird’s gefährlich. Und das kann von Eltern noch verstärkt werden, die unbedingt wollen, dass ihre Kinder in eine ganz bestimmte Schule gehen, die dem Kind lieber zumuten, in aller Herrgottsfrüh stundenlang mit dem Bus in ein bestimmtes Gymnasium zu fahren und spät am Nachmittag wiederzukommen, anstatt die nahe liegende Hauptschule zu besuchen, die ohnehin auch ausgezeichnet ist.

 

Darum ist es für Kinder so wichtig, zu erleben, dass sie ganz unabhängig von ihren Erfolgen oder Misserfolgen akzeptiert und wichtig und geliebt sind. In der Schule kommt da dem Religionsunterricht eine ganz besondere Bedeutung zu. Da gibt es zumindest ein Fach, in dem nicht die Leistung im Vordergrund steht. Natürlich geht es da auch um Wissen, aber da haben die Kinder mit ihren Freuden und Sorgen Platz, da lernen sie, wie gut es tut, einander zuzuhören, zu feiern, Vertrauen zu spüren und nach dem zu fragen, was das Leben letztlich trägt. Vor ein paar Jahren wurden Schüler und Schülerinnen am Ende ihrer Schullaufbahn nach ihren Erfahrungen mit dem evangelischen Religionsunterricht befragt. Die Studie, die das Ergebnis zusammenfasst, trägt den bezeichnenden Titel: “Religion - Oase im Schulalltag”.

 

Zu dieser Oase im Schulalltag kann der Religionsunterricht deshalb werden, weil er von Leuten gemacht wird, die selber von der Überzeugung leben, dass wir Menschen immer mehr sind als unsere Erfolge oder Misserfolge. Die Überzeugung von dieser unverlierbaren Menschenwürde kommt vom Glauben an Gott, der bedingungslos Ja zu mir sagt. Freilich kann die Schule und besonders ein meist nur einstündiges Fach wie evangelische Religion hier nicht all das aufwiegen, was Kinder vielleicht sonst an Infragestellungen erleben. Die Hauptverantwortung bleibt da schon bei den Eltern, bei der familiären Umgebung der Kinder.

 

So wird auch Paula hoffentlich durch ihre Eltern erleben, dass sie die ganz unabhängig von ihren Erfolgen oder Misserfolgen geliebte Paula ist. Vielleicht können für ihre Eltern die alten Worte eine Hilfe sein, die uns auch heute daran erinnern, woher wir Menschen unsere Würde haben, Worte zum Beispiel wie die aus dem Psalm 139, wo einer zu Gott sagt:

“Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin.

Wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.”