Das Evangelische Wort

Sonntag, 18. 06. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

"Fußball-WM"

von Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz                                                 

 

 

Wer wird Weltmeister? Das ist die Frage Nummer eins. Wir sind doch alle

irgendwie zu Fußballern geworden in diesen Tagen. Meine Schüler sind einer Meinung: "Brasilien!". Nur einer sagt "Togo,  ich glaube Togo - oder Angola". Ziemlich sicher haben beide eigentlich jetzt schon gewonnen!

 

Mit welcher Begeisterung die bei der Sache sind. Sie vergessen beinahe die Welt, aus der sie kommen. Ihre Länder gehören zu den klassischen Verlierern. Die Spieler von Togo sind die Ärmsten bei der WM. Aber ihre Begeisterung und die ihrer Fans ist unüberbietbar.

 

Als sie sich qualifiziert haben, war das eine Sensation. Allein damit haben sie schon gewonnen! Keiner hat es für möglich gehalten. Die Leute haben in den Straßen getanzt und gesungen – und gerufen: "Jetzt verlegen wir Togo nach Deutschland!". Sie sind schon vor zwei Woche angereist mit ihren afrikanischen Trommeln und wohnen in Wangen, in einer kleineren Stadt im Allgäu, in einem 3-Sternehotel.  Zu mehr reicht es nicht. Der Durchschnitt ihrer Landsleute hat ein Einkommen von 350.- Euro, - pro Jahr!

 

Zum Auftakt gab's ein Freundschaftsspiel. Das Wangener Stadion war voll,

die Gegner ungleich. Hilflose Lokalamateure gegen eine ballverliebte Nationalmannschaft aus Afrika. Es wird viel gesungen und getrommelt.

Alles ist stimmungsvoll und farbenfroh. Woodoo -Priester beschwören den Rasen. Und Togo gewinnt. Natürlich! Sie sind ja die besseren.  Vergessen ist die Korruption im eigenen Land, die hohe Kindersterblichkeit, der Analphabetismus und die niedrige Lebenserwartung. Jetzt wird gelebt!

Jetzt wird die Lebensfreude ins Land getragen!

 

Die "schönste Nebensache der Welt" kann auch zur "verbissensten Hauptsache" werden, bei der es um Leben oder Tod geht. Mindestens.

Bei übersteigertem Nationaleifer wird aus dem "fairen Wettkampf" eine "Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln"! Und es geht um viel Geld,

um unvorstellbare Summen, wenn Fußballer der reichen Länder von Verein zu Verein "transferiert" werden. Menschenhandel ist das, moderner. Von wegen "Leichtigkeit des Spieles". Fußball ist Macht und Kommerz.

 

Togo jedenfalls hat Wangen etwas menschlicher gemacht und bunter.

Im Land ihrer ehemaligen Kolonialherren sind sie nun Gäste bei Freunden.

 

Und die Weltmeisterschaft? Ach ja, da gibt es viel Enthusiasmus. Der Trainer meint: "Wir haben die Vision, in die zweite Runde zu kommen". Dabei sein ist alles! - Damit haben sie jetzt schon gewonnen.

 

In Angola gab es bis vor kurzem Bürgerkrieg. Das merkt man den Leuten auch an. In den lokalen Fußballmannschaften spielen sie mit Krücken und Prothesen, weil die Minen ihnen Arme oder Beine weggerissen haben.

Aber sie spielen voll Freude, spielen gegen den Wahnsinn und haben beinahe vergessen, dass ein Großteil ihrer Vorfahren als Sklaven nach Südamerika verkauft worden ist. Auch die in der Nationalmannschaft spielen mit Emotion und ohne Hightech-Schuhe, aus reiner Lebenslust. Und als Belohnung bekommen sie, was ihnen die FIFA zuerkennt und dann daheim vielleicht noch einen Gebrauchtwagen aus Europa als Geschenk. Angola hat übrigens dieselben Landesfarben wie Deutschland: Schwarz, Rot, Gelb. Trotzdem wird man die Spieler und ihre Fans kaum miteinander verwechseln, nicht nur wegen der Hautfarbe!

 

Togo und Angola, das sind die klassischen "Looser", wie man sagt, jedenfalls nach westlichen Standards. Aber eigentlich sind sie die wahren Gewinner dieser Weltmeisterschaft. Jetzt schon. Vielleicht lassen wir uns ja von ihnen anstecken - und werden alle ein 'bisschen Togo'?