Das Evangelische Wort

Sonntag, 09. 07. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Frank Lissy-Honegger (Rust, Burgenland)

 

 

Platsch! Sie tauchte ins kühle Wasser ein. Ihre Haut prickelte und sie genoss es. Das matte Blau der Morgenluft war ein Vorzeichen eines strahlenden Tages. Sie schwamm weit hinaus. Vieles blieb hinter ihr: die Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation. Die Mühe der Auseinandersetzung mit ihrer pubertierenden Tochter ließ sie am Strand zurück. Sie war in einem anderen Element. Wasser.

 

Wasser – das Element, aus dem das Leben kommt, Medium für die wichtigsten biologischen Vorgänge. Flüssiges Wasser besteht aus einem ungeordneten Netzwerk von Molekülen, das durch schwache chemische Bindungen (die so genannten Wasserstoffbrücken) zusammengehalten wird. Dieses Netzwerk unterliegt ständigen Fluktuationen, das heißt, die Anordnung der Wassermoleküle und ihre Wechselwirkung ändern sich permanent. Dabei werden Wasserstoffbrücken immer wieder gebrochen und neu geformt. Trotz intensiver Forschung ist die strukturelle Dynamik des Wassers, die wesentlich im Femtosekundenbereich (also im Bereich von 10 hoch minus 15 Sekunden, im Billiardstelsekundenbereich) abläuft, erst in Ansätzen bekannt.

 

Sommer, Eintauchen ins kühle Wasser. Ihre Haut prickelte und sie genoss es. Sie schwamm weit hinaus und vieles blieb hinter ihr. Der Streifen Strand war schon bedeutend kleiner geworden.

 

Am letzten Samstag gab es in der evangelischen Pfarrgemeinde Rust ein Treffen von Spirit for kids. So heißt unsere Reihe für die 10 – 13jährigen. Das Thema war: Wasser. Und mit der Hilfe von Doris und Christian von der Tauchschule am Neufelder See sind sie wirklich abgetaucht, die Kids, in das andere Element. Wir oben haben nur mehr die Luftblasen gesehen, die an die Oberfläche des Wassers geperlt sind. Anna, wie war das denn unter Wasser? Und, Eva, was habt ihr sonst noch gemacht? (Über das Wasser geredet, über die Taufe, ein Wasserbild aus Seidenpapier gemacht und die Christophorusgeschichte gehört). In dieser Legende geht es ja um einen, der auch am Wasser lebt, einer, der andern über den Fluss hilft, der dort weiter hilft, wo man nicht weiter kann und an eine Grenze kommt. (Anna, ist die Grenze bei allen gleich? Beim Tauchen kommen wir verschieden weit, bis wir an der Grenze sind, aber die Grenzen sind sonst auch verschieden, einer kann weiter denken als ein andrer, der eine ist geduldiger als der andere). Christophorus, der vielen über die Grenze hilft, kommt aber auch an seine eigene: Als er ein kleines Kind über den Fluss tragen soll, wird es dem starken Christophorus immer schwerer, und das Wasser steigt immer höher, nur mit letzter Kraft setzt er das Kind über. Hätte ich alle Welt auf meinen Schultern gehabt, es wäre nicht schwerer gewesen, sagt er. Und das Kind antwortet: „Das soll dich nicht wundern, Christophorus. Du hast nicht nur alle Welt auf deinen Schultern getragen, sondern auch den, der die Welt erschaffen hat.“

 

Armzug um Armzug um Atemzug. Sie fühlte sich wohl im kühlen Wasser. Ihre Haut prickelte und sie genoss es. Sie schwamm weit hinaus und vieles bleib hinter ihr. Die beruflichen Zores wogen nicht mehr so schwer. Sie sah am Strand ihre Tochter heftig winken. Ach ja. Es war oft mühsam mit ihren pubertären Ausritten. Aber sie braucht sie auch zu ihrer Entwicklung, dachte sie, hier muss ich ihr weiterhelfen. Mit ruhigen Armzügen schwamm sie zurück.