Das Evangelische Wort

Sonntag, 13. 08. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

                        

   

von Pfarrer Dr. Christoph Weist

 

  

Die neuen Kommunikationsmethoden können viel. Aber eines können sie nicht: aus schwarz weiß und aus weiß schwarz machen.

 

Da werden Persönlichkeiten aus Wirtschaft und öffentlichem Leben von Trainern vorbereitet, manchmal tagelang und für sündhaft teures Geld: Was antworte ich auf der Pressekonferenz? Wie weiche ich im Rundfunk-, Fernseh- oder Zeitungsinterview konkreten Fragen aus und erzähle etwas ganz anderes? Wie argumentiere ich in der Diskussion so, dass die eigentlichen Motive für meine Entschlüsse nicht deutlich werden? Was gibt es für Ausdrücke und Formulierungen, die meine Entscheidungen positiv aussehen lassen, auch wenn sie für andere böse Folgen haben?

 

Sie wissen, es gib da viele Möglichkeiten und Tricks. Wie durchsichtig die oft sind, ist täglich in den Medien zu beobachten.

 

Denn es ist ganz klar: Die Kündigung hunderter oder gar tausender Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist keine glücklicherweise durchgeführte „Sanierung“ - also Heilung, sondern ein schwer wiegender Akt, der sehr viele Menschen in eine existenz-bedrohende Lage bringt. Eine versteckte oder offene Steuererhöhung ist keine segensreiche „Reform“, sondern eine Belastung für die gesamte Gesellschaft. Das großartige Ankündigen politischer Ziele vor einer Wahl ist nur so viel wert, als nach dem Wahltag nicht unerwartete Parteiallianzen alles wegwischen. Oder aber: Ein Suizidattentat ist keine verständliche Verzweiflungstat, sondern ein menschenverachtender Mord an vielen Unschuldigen. Und Panzerangriffe und Bombardierungen sind keine begrenzte Verteidigungsaktion, sondern blutiger Krieg.

 

Die Frage muss erlaubt sein: Was haben solche  Redensarten und Behauptungen mit der eigentlichen Absicht der Kommunikationslehre noch zu tun? Die eigentliche Absicht dieser nützlichen Wissenschaft ist doch die: Begreifen lernen, wie Botschaften zwischen Menschen ausgetauscht werden, erkennen lernen, welche Chancen es gibt, Dinge so zu sagen, dass sie von anderen richtig verstanden werden. Das Ganze soll nicht zur Errichtung von Lügengebäuden genutzt werden, sondern schlicht und einfach einen Beitrag zu mehr Wahrhaftigkeit leisten. Und das funktioniert nur, wenn nichts bis zur Unkenntlichkeit verbogen oder ins Gegenteil verkehrt wird.

 

Übrigens würde es nichts schaden, wenn sich auch die christliche Verkündigung der Erkenntnisse dieser interessanten Wissenschaft verstärkt bedienen würde. Wenn die, die von den Kanzeln so viel von Liebe reden, der Liebe zu ihren Nächsten in ihrem eigenen Leben manchmal einen besseren Platz einräumen würden. Ihre Botschaft würde dann nicht nur verständlicher, man würde ihr auch mehr glauben.

 

Denn es ist die Glaubwürdigkeit, um die es geht. Der Missbrauch moderner Kommunikationsmethoden hat zu dem geführt, was man heute als „Politikverdrossenheit“ kennt, nicht nur bei jungen, sondern auch bei älteren Menschen. Und zu der Resignation, in der viele sich in ihr kleines Leben zurückziehen, sich allein um sich selbst kümmern und gar nichts mehr glauben wollen.

 

„Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,32) verspricht Christus denen, die ihm trotz allem glauben. Zu wissen, dass Kommunikationsmethoden vieles können, nur  nicht aus schwarz weiß machen, ist der erste Schritt zu dieser Freiheit.