Das Evangelische Wort

Sonntag, 27. 08. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

                        

 

„Il Gesù“

von Pfarrer Michael Chalupka

 

 

Es ist zu spät für Urlaubstipps. Der Sommer ist gelaufen. Aber Rom ist immer eine Reise wert. Wenn Sie den Petersdom schon kennen und aus den Katakomben wieder heraufgestiegen sind und auf der „piazza delle cinque scuole“, die besten „trippe alle romana“ gegessen haben, dann sollten Sie einen Besuch in der Kirche Il Gesù, die zwischen dem Pantheon und dem Forum Romanum liegt, in Erwägung ziehen.

 

Die Kirche befindet sich in der Nähe der „via delle bodeghe oscure“, der „Strasse der dunklen Geschäfte“, dem Sitz der alten kommunistischen Partei Italiens und meinem Lieblingsgeschäft für elegante Herrenkleidung für den beleibteren Herrn. Dieser Laden hat den Vorteil, dass er auch sonntags geöffnet ist und Änderungen sofort erledigt werden. Es zahlt sich also aus bei Il Gesù vorbeizuschauen.

 

Doch genug der touristischen Ratschläge. Natürlich hat es religiöse Gründe, warum ich Sie zu einem Besuch der ältesten Jesuitenkirche Roms verführen möchte. Die Kirche ist die erste Musterkirche des Barock und ein Bollwerk der Gegenreformation. Ein Besuch wird sie erschüttern und läutern. Sie werden die Welt anders sehen und verändert wieder unter den römischen Himmel treten. Das liegt weniger am prunkvoll ausgestatteten mit frisch geraubtem Gold aus dem gerade entdeckten Lateinamerika verkleideten Innenraum, noch an der Weltkugel über dem Altar, die aus dem größten jemals gefundenen Lapislazuli kunstvoll gefertigt, in einem Blau erstrahlt, dass sonst nur Astronauten zu sehen bekommen.

 

Die Grabkapelle des Heiligen Ignatius, links vorne im Querschiff, hat es mir angetan. Der monumentale Grabaltar des Heiligen Ignatius von Loyola wurde von Andrea Pozzo zwischen 1696 und 1770 errichtet. Oben strahlt der blaue Planet und unten finden sich zwei Figurengruppen, eine zeigt wie die Religion die Häresie geißelt und die andere wie der Glaube das Götzentum besiegt. Da geht es heftig her. Die schöne Frau Religion zertritt auf der ausgezehrten Brust der Häresie den Kopf der züngelnden teuflischen Schlange und stößt den zermarterten Leib in die Hölle. Die Häresie liegt auf Bergen von Büchern. Links von den beiden sitzt ein entzückendes barockes Engelchen und reißt Seite um Seite aus einem schweinsledergebundenen Band. Das alles gemeißelt aus feinstem Carraramarmor von der Hand des Meister Piere II Le Gros. Das Werk ist bis ins Detail ausgeführt. Um die Buchrücken lesen zu können, müssen Sie sich aber über die Balustrade beugen, erst dann können sie die teuflischen Autoren entziffern. Da findet sich dann nebst Calvin und Zwingli endlich auch Martin Luther. In der Cappella di Sant´Ignatio zu Rom können wir den Zeitsprung erleben und uns mitten in den blutigen Konfessionskämpfen und Terrorphantasien des 17. Jahrhunderts wieder finden.

 

Danach können wir benommen von solcher Gewalt und Expressivität ins Freie wanken. Am Ausgang geben wir dem Bettler erleichtert 10 Euro aus purer Dankbarkeit über die Entwicklung der Ökumene und den friedlichen Umgang der Katholischen und Evangelischen in unserem Lande, dann stimmen wir ein Lied an über die wunderbare Verwandlung der Jesuiten und werden wieder still, weil wir wieder gelernt haben, wie nahe uns religiös motivierter Terrorismus doch steht, wozu Menschen fähig waren und fähig sind. Trotz alledem lehrt uns Il Gesù, dass Versöhnung auch der grimmigsten Feinde möglich ist. Das lässt hoffen.

 

Den „cafe stretto“ nehmen Sie dann in Trastevere in der Bar San Callisto. Papst Callixtus war schließlich der, der die Vergebung der Sünden allen, die ehrlich bereuen zugesagt hat.