Das Evangelische Wort

Sonntag, 24. 9. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Senior Pfarrer Mag. Klaus Niederwimmer

 

 

Vor einigen Tagen feierten wir in einer Hauptschule einen ökumenischen Schulanfangsgottesdienst. Der Gottesdienst trug das Thema: Die Farben des Regenbogens. Ich las dabei die Geschichte einer Jugendbuchautorin vor. Sie erzählt von einem Land, in dem alles in vier Farben eingeteilt ist: grün, rot gelb und blau.

 

Aber nicht nur alle Gegenstände in einem Viertel tragen die entsprechende Farbe - auch die Menschen. Sie kommen zwar bunt zur Welt, aber bald lernen sie, dass es nur eine richtige Farbe gibt – natürlich die ihres Viertels! So lernen sie in Grün, dass grün richtig ist, in Gelb, dass gelb richtig ist  usw. Damit nicht genug, lernen sie auch so zu sprechen: „Gelben Tag,“ begrüßen die Leute einander in Gelb. Denn gelb heißt ja gut. Und entsprechend grüßen einander die Leute in den anderen Vierteln. „Lieber gelber Gott“, so beten sie in Gelb, „wir danken dir, dass wir gelb sind und bitten dich, uns Gelbe zu beschützen.“ Und in Rot, grün und blau beten sie zum roten, grünen und blauen Gott.

 

Die Trennungslinien zwischen den einzelnen Vierteln – so erzählt die Geschichte weiter - werden jeden Tag von Polizisten mit Kreidestrichen am Boden nachgezogen.

 

Eines Tages wächst mitten in grün eine wunderschöne gelbe Rose. Verärgert und angeekelt wenden sich die Menschen ab und es dauert nicht lange, bis ein Polizist die störende Rose kaputt schlägt. Die Kinder, die diese Polizeiaktion mitverfolgen, sind sprachlos. Immer mehr von ihnen treffen sich in der Mitte des Landes an der Grenze des Vier-Farben-Landes. Auf einmal spuckt eines der Kinder auf den Kreidestrich am Boden und beginnt, die Kreide mit dem Fuß wegzuwischen. Es dauert nicht lange und andere folgen – solange, bis alle Grenzen weg sind. Sie fangen zu lachen und zu spielen an und bald schon hören sie auf, nur mehr eine Farbe zu haben.

 

Während ich die Geschichte erzählte, wurde es in der Kirche immer ruhiger. Die Jugendlichen wurden mehr und mehr in den Bann dieser besonderen Geschichte gezogen. Sie begriffen sehr schnell, dass solche Ausgrenzungen und Abgrenzungen nicht sein dürfen. Und dass es gerade Kinder waren, die den Mut hatten, die scheinbar unveränderlichen Grenzen zu durchbrechen, stimmte sie mehr als nachdenklich. Vielleicht stimmt auch uns Erwachsene diese Geschichte nachdenklich: Gerade in einer Zeit, in der es Menschen gibt, die sehr enge Grenzen ziehen in Religion und Politik. Sehr schnell wird ein anderer oder eine religiöse oder politische Gruppe abgewertet und in irgendeine Schublade geschoben. Gerade in Zeiten des zu Ende gehenden Wahlkampfes erscheint es mir wichtig, nicht farbenblind zu werden, sondern die Vielfalt zu sehen und offen dafür zu bleiben. Worte, die gerade dann Hoffnung geben, wenn manchmal sehr raue Töne zwischen Religionen angeschlagen werden.

 

Gerade jetzt erscheint es mir wichtig, dass wir uns auf die alte Geschichte von Noah und dem Regenbogen besinnen: Nach der Sintflut erscheint am Himmel ein in allen Farben leuchtender Regenbogen. Ein Symbol dafür, dass Gott dieser Welt eine Zukunft schenken möchte. Eine bunte, vielfältige in allen Farben erstrahlende Zukunft. Auch wenn Gott um unsere Enge, unsere Begrenztheit weiß und manchmal an uns zu verzweifeln scheint, so wie es auch die Noah-Geschichte erzählt. Er möchte jedoch, dass das Leben auf unserer Welt bunt wie ein Regenbogen ist – frei von engen Grenzen, die wir Menschen ziehen, frei von Schwarz-Weiß-Malerei, die wir Menschen oftmals betreiben: Lebensraum und Entfaltungsmöglichkeiten für alle Menschen sollen möglich sein. Gut, dass es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen – in allen Religionen, in allen Ländern und in allen politischen Lagern – die wie die Kinder in der Geschichte den Mut haben, vorgegebene Grenzen zu durchbrechen.

 

So möchte uns jeder Regenbogen daran erinnern, dass der Gott der Bibel ein Freund des Lebens und der Vielfalt ist und dass auch wir farbenfrohe Boten dieses Glaubens werden.