Das Evangelische Wort

Sonntag, 29. 10. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendent Paul Weiland

 

 

„Hallo Luther“ – unter diesem Titel laden Gemeinden unserer Kirche am 31. Oktober zu Veranstaltungen zum Reformationstag ein. Sie erinnern damit daran, dass an diesem Tag nicht nur Halloween oder der Weltspartag gefeiert wird, sondern vor allem der Reformationstag. Und der schon viel länger als alles andere, fast 500 Jahre. Im Jahr 2017 wird sich das Ereignis der Veröffentlichung der Thesen Martin Luthers zum 500sten Mal jähren.

 

Mit den 95 Thesen hat Luther ein Reformprogramm der Kirche aufgestellt und zur Diskussion darüber aufgerufen. Die Reform wurde von einem Teil der damaligen Kirche abgelehnt. Das hat dann zur Spaltung in die römisch-katholische Kirche und in die evangelische Kirche geführt. Allerdings sind viele der Grundanliegen Luthers wie die besondere Bedeutung von Jesus Christus in der Gottesbeziehung von uns Menschen, die Wichtigkeit der Heiligen Schrift, die Verkündigung in der jeweiligen Muttersprache heute von so gut wie allen Kirchen aufgenommen.

 

So hat der Reformationstag weit über den Bereich der Evangelischen Kirche hinaus Bedeutung. Er ist der Tag der Erinnerung an den 2. Geburtstag der Kirche Jesu Christi.

 

Die Reformanliegen Luthers haben bis heute nichts an ihrer Gültigkeit und Aktualität verloren. In den 95 Thesen Martin Luthers heißt es in der ersten These: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: „Tut Buße“, so hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen eine stete Buße sein soll.“ Der Glaube ist nicht nur eine Befolgung von Lehrsätzen, nicht nur eine Ideologie, sondern er ist eine Lebensgrundhaltung.

 

Oder in These 45 heißt es: „Man lehre die Christen, dass wer einen Bedürftigen sieht, seiner nicht achtet und das Geld für Ablässe hingibt, sich nicht des Papstes Ablass, sondern Gottes Zorn erwirbt.“ Glaube ohne Bezug zum Alltag, ohne den Mitmenschen im Auge zu haben, kann sich jedenfalls nicht auf Jesus Christus berufen.

 

Luthers zentrales Anliegen der Reform war, das Leben des Menschen als Geschöpf Gottes wieder in Einklang zu bringen mit dem Schöpfer, mit Gott. Das Studium der Bibel zeigte ihm den Weg. Im Römerbrief des Apostel Paulus liest der Reformator: „Der Mensch wird ohne Verdienst gerecht aus Gottes Gnade durch die Erlösung, die in Jesus Christus geschehen ist.“

 

Allein aus Gnade im Glauben, das wird einer der wichtigen Grundsätze der Reformation. Allein aus Gnade im Glauben, das bedeutet auch, dass Gottes liebende Zuwendung sich nicht verwalten und einschränken lässt, auch nicht von einer Kirche und durch ihre Verordnungen. Die Kirche kann davon nur predigen und verkündigen und sie im Auftrag Gottes zusagen.

 

Hier liegt der entscheidende Punkt, ob Kirche evangelische Kirche ist, das heißt eine Kirche, die sich dem Evangelium verpflichtet weiß, oder nicht. Nicht auf Nebenschauplätzen wie das oft zu hören ist, nämlich ob Pfarrer heiraten dürfen, Frauen Pfarrer werden können usw. Das alles ist ohne Zweifel eine Folge aus der neuen Erkenntnis der Rechtfertigung allein aus Gnade, es ist aber nicht die Erkenntnis selbst.

 

Evangelisch ist nicht, wer verheiratete Priester fordert, sondern wer erkennt, dass er aus der Gnade Gottes lebt. Das ist der Beitrag der Evangelischen Kirche in das Gespräch der Ökumene, der immer wieder einzufordern und einzubringen ist.

 

Das, was zählt im Leben aller Menschen ist die Erfahrung der Treue und Gnade Gottes, die in der Zusage gipfelt: So lange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

 

Im Kreislauf des Werden und Vergehens leben wir alle von Gottes Zusage, die Erde zu bewahren. Das ist die Botschaft des Reformationstages für alle Menschen.