Das Evangelische Wort

Sonntag, 03. 12. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendentin Mag. Luise Müller, Innsbruck

 

 

Endlich wieder Advent. Im Advent werde ich jedes Jahr zum Kind, das sich unbändig auf Weihnachten freut. Keinem Ereignis in meinem Leben ist es gelungen, diese Freude zu beeinträchtigen. Nicht der Tod lieber Menschen, keine Krankheit, nicht die politische Lage. Dabei ist es nicht so, dass meine Adventserinnerungen strahlend sind, nein gar nicht. Oft bleibe ich hinter den allgemeinen Erwartungen zurück. Advent als Fastenzeit: nicht immer gelingt es mir, auf Liebgewordenes zu verzichten. Advent als Zeit der Familienidylle: auch im Advent bin ich gehetzt. Ich kann und will meine beruflichen Anforderungen gerade im Advent nicht zurückschrauben. Advent als Zeit des Lichts. Ich kann mich an viele Schatten erinnern: Waren es in der Kindheit die unerfüllten Wünsche und die regelmäßigen Streitereien mit meiner Schwester, so war es später der pubertäre Widerstand gegen alles Etablierte, noch später das Heimweh der Adventssonntage und Weihnachtsfeste weit weg vom gewohnten und geliebten Daheim.

 

Endlich wieder Advent. Als Theologin weiß ich, dass die Botschaft von Gottes Kommen, von Gottes Menschwerdung ergänzt werden muss durch die Botschaft von Gottes Menschsein. Das süße Kind in der Krippe wird erwachsen, wird unbequem. Der Jesus, der ein paar Jahre in Galiläa unterwegs ist, ist für viele eher ein aufregender Störfaktor als ein potentieller Schwiegersohn. Sein Tod am Kreuz, die Botschaft von der Auferstehung. Das ist alles andere als eine romantische Geschichte, die sich zur Kommerzialisierung eignet. Und doch bleibe ich dabei: Endlich wieder Advent. Denn Advent heißt: Gott ergreift die Initiative. Nicht: ich muss, oder ich darf nicht. Advent heißt für mich: Gott sieht meine Begrenztheit, meine Störanfälligkeit. Gott redet mit mir wie eine liebevolle Mutter. Er sagt: Ich kenn dich doch. Ich sehe deine guten Absichten und ich sehe, wie dumm du es so oft anfängst. Ich sehe, wie du Menschen verletzt, wie du hinter deinen hochgesteckten Zielen zurückbleibst. Lass dir helfen. Ich bin ab jetzt an deiner Seite.

 

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. So formuliert es der Wochenspruch für die heute beginnende Woche, der beim Propheten Sacharia steht.

 

Gott wird Mensch und kommt mir, Ihnen damit ganz nah. Manchmal frage ich mich, ob es uns denn überhaupt bewusst ist, was für einen Schatz wir durch unseren christlichen Glauben bekommen haben. Das Wissen, zumindest das Ahnen: Gott ist in meiner Nähe, Gott geht mit mir mit. Das kann ein Leben unwahrscheinlich entlasten. Und aus dieser Unbeschwertheit können sich Kraftfelder aufbauen, die Licht und Wärme und Liebe wachsen lassen.

 

Ich denke, dass sich dieses Ahnen immer noch hinter all dem Kitsch und Kommerz verbirgt. Der Wunsch: alles wird gut. Und Advent ist die Zeit der Erwartung, die Zeit der Hoffnung, dass das Dunkle in unserem Leben aufhört und dass Weihnachten wird. Dass Jesus zur Welt kommt und mit ihm eine neue Seite aufgeschlagen wird im Buch der Menschheit.

  

Von Christine Busta gibt es ein sehr schönes Gedicht zum Advent. Ich gebe  es Ihnen in den Advent des Jahres 2006 mit.

Was ich dir zum Advent schenken möchte

Einen Orgelton wider den finsteren Morgen,

meinen Atem gegen den Eiswind des Tags,

Schneeflocken als Sternverheißung am Abend

Und ein Weglicht für den verlorengeglaubten

Engel, der uns inmitten der Nacht

Die Wiedergeburt der Liebe verkündet.