Das Evangelische Wort

Sonntag, 24. 12. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von  Landessuperintendent Wolfram Neumann                         

 

 

Es gibt dem heurigen Weihnachten schon eine besondere Note, dass der heilige Abend auf einen Sonntag, den 4. Advent fällt, damit fällt der Torschlussstress weg, fäll weg, was in anderen Jahren geradezu unvermeidlich ist, dass nämlich dem heiligen Abend ein sehr unheiliger Morgen und Vormittag vorausgeht, der es wegen der vielen Dinge die noch oder doch endlich gemacht werden sollen, geradezu unmöglich macht, sich in den Sinn des Festes hineinzudenken. Vielleicht  haben Sie gerade jetzt dazu Zeit, jetzt kurz vor oder beim Frühstück.

 

Was, meinen Sie, was steht für Sie an diesem Fest im Mittelpunkt, was wünschen Sie sich zur Erfüllung? Ein besinnliches Fest? Eintracht in der Familie - wenigstens heute?  Hoffnung auf einen gründlichen Frieden nicht nur bei uns sondern für  jene Völker, die am Morgen Angst haben müssen, ob sie den Mittag  überleben und für die eine ruhige Nacht schiere Illusion ist?  Oder Heilung, und sollte das nicht möglich sein doch eine verlängerte Lebenszeit den Aidskranken in Afrika? Vielleicht aber führen Sie ihre Gedanken zu jenen Menschen, die am heutigen Tag weniger zu essen haben als wir auf unserem Frühstücksteller uns herrichten?

 

Entschuldigen Sie die für viele so unweihnachtlichen Fragen, aber das ist ja gerade das Besondere dieses Festes, dass da auch  Gedanken und Überlegungen sich unter den Christbaum  und zwischen Lieder und Geschenke schleichen, die zwar zur Besinnung anregen, die Besinnlichkeit aber, dieses so beliebte  Weihnachtswohligkeitsgefühl stören, den Duft nach Tannennadeln und Zimt,  den  Klang der altvertrauten Melodien.

 

Der Blick in die Welt und der Blick der Welt durch unsere Weihnachtsfenster  gehört – verwundert Sie das?  - zum Kern dieses Festes. Erinnern Sie sich, was der Chor der Engel auf dem Feld vor Bethlehem den Hirten vorsang? „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“. Lassen Sie es mich so sagen:  Die wirkliche Weihnachtsstube ist nicht unser so schön geschmücktes Wohnzimmer, oh nein, die Weihnachtsstube ist die Welt.  Jesus von Nazareth hat seine Aufgabe nie darin gesehen, uns ein schön kuscheliges Fest zu bringen, leider ganz und gar nicht, ihm ging es darum, eine verquere und in die falsche Richtung stapfende Menschheit wieder auf den rechten Weg zu bringen. Diese Aufgabe stellte er sich nicht selbst – oh nein, als Gottes Wille mit der Welt sah er sie. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.

 

Ich weiß wohl, keine Familie möchte heute Abend die ganze Welt bei sich zu Gast haben. Die meisten wollen an diesem Abend im Kreise der Familie sein und hoffen sich gegenseitig wieder etwas besser wahrzunehmen. Manche Familien haben da auch einen sehr schönen Brauch. Sie stellen am Heiligen Abend  Kerzen in die Fenster ihrer Wohnung, zum Zeichen des Gedenkens etwa an jene Menschen, die in Spitälern oder Heimen liegen müssen, oder an die Menschen die fern ab von uns aus lauter Not kein solches Fest feiern können.      

 

Wenn ich bei meinem Rundgang durch die Straßen unserer Stadt diese Zeichen des Erinnerns und des Gedenkens in den Fenstern sehe, dann denke ich mir, es besteht doch noch eine Hoffnung in unserer Welt, denn es gibt erstaunlich viele Menschen, die an diesem Abend auch ein Herz für andere haben, denen die Verheißung des Engels scheinbar wichtig ist: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.