Das Evangelische Wort

Sonntag, 31. 12. 2006,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Bischof Herwig Sturm

 

 

Heute ist Sonntag und Silvester; wir haben einen freien Tag vor der großen Nacht mit ihren rauschenden Festen.

 

Eine Zeit der Ruhe vor dem großen Fest, ein Luftloch zum Atemholen im Dauerstress der Leistungs- und Erlebnisgesellschaft.

 

Ich genieße heute diese freie Zeit, die ich zur Vorbereitung auf den Jahreswechsel nutze und freue mich auf den Gottesdienst; da kann ich zur Ruhe kommen, mich neu orientieren am Wort Gottes und Kraft schöpfen aus seinem lebenschaffenden Geist. Eigentlich ist ja jedes Wochenende so ein kleiner Jahreswechsel und jeder Sonntag eine Atempause zur Orientierung und zum Kräfte sammeln.

 

Heute Nacht werden wieder die Böller krachen und die Raketen steigen. Wenn dann der Himmel voll ist von tausenden bunten Sterne, die aufleuchten wie Blumen und wieder verglühen, dann ist das doch so, als würden wir Weihnachten nachspielen: Die Nacht wird hell, wir wünschen einander Frieden und Glück und das Krachen der Böller könnte man hören als die Botschaft: „Fürchtet euch nicht“.

 

Mein Neujahrswunsch ist, dass wir nicht das große Fressen und Saufen, sondern diese Botschaft des Friedens hören und mitnehmen ins neue Jahr.

 

Ab Mitternacht gilt eine neue Jahreslosung, ein Bibelwort aus dem Propheten Jesaja, das uns durch das kommende Jahr begleiten soll.

 

Gott spricht: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“

 

Die Menschen, die das damals hörten, lebten fern der Heimat im Babylonischen Exil. Israel ist an einem Tiefpunkt seiner Geschichte angelangt. Aber Gott schafft ein Neues und will, dass sie es erkennen und ihr Leben davon bestimmen lassen.

 

Wir warten auf eine neue Regierung und ich hoffe, dass Fortschritte in der Sozialpolitik, wie sie bisher diskutiert wurden, auch durchgeführt wird. Das Wachstum der Wirtschaft und gute Einkommen sollen wieder stärker der Gemeinschaft dienen und soviel Steuern abwerfen, dass wir die Armut nachhaltig überwinden können.

 

„Siehe, ich will ein Neues schaffen“, spricht Gott, ich höre das in Bezug auf die Energiewende, die wir unbedingt einleiten müssen, wenn wir die Ausbeutung und Zerstörung unserer Erde und unserer Meere stoppen und diese wunderschöne Welt für unsere Kinder und Kindeskinder erhalten wollen. Die Evangelische Kirche hat ein Projekt ausgearbeitet „Energie im Dienst des Lebens“ und wir wollen im neuen Jahr unsere Gemeinden intensiv einladen, energiebewusst zu leben und vor allem Energie zu sparen.

 

„Siehe, ich will ein Neues schaffen“, spricht Gott, „jetzt wächst es auf“, das höre ich in Bezug auf die ökumenische Bewegung, die im kommenden Jahr einen Höhepunkt erreichen wird: Nämlich die 3. Europäische Ökumenische Versammlung in Hermannstadt/Sibiu in Siebenbürgen/Rumänien.

 

„Das Licht Christi scheint auf alle“ ist das Thema dieser Versammlung, entnommen der orthodoxen Osterliturgie und der Untertitel zeigt die Herausforderung und die Selbstverpflichtung der Kirchen in Europa heute. Er heißt: Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa. Gebe Gott, dass dieses Neue wirklich wächst und wir es erkennen und mitwachsen und dann umsetzen und tun.

 

In diesem Sinn Gottes Segen und Geleit für den heutigen Sonntag, für die Silvesternacht und für das ganze Neue Jahr.