Das Evangelische Wort

Sonntag, 14. 01. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Olivier Dantine (Großpetersdorf, Bgld.)

  

 

„Warum töten wir Menschen, die Menschen töten, um zu zeigen, dass es falsch ist, Menschen zu töten?“

 

Die Hinrichtung von Saddam Hussein hat es wieder gezeigt: Das Thema Todesstrafe ist noch lange nicht erledigt. In den Vereinigten Staaten löste die Exekution Genugtuung aus, selbst in Europa gab es nicht nur negative Reaktionen. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch bei uns nicht wenige Menschen für die Todesstrafe bei grausamen Verbrechen sind.

 

Es gibt viele Argumente gegen die Todesstrafe. Sie wirkt nicht abschreckend, Justizirrtümer haben dramatischere Folgen als bei Haftstrafen, vor allem in den USA zeigt sich, dass die Todesstrafe sozial ungerecht ist. Und, in Zeiten der zunehmenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche auch interessant: Die Todesstrafe ist insgesamt teurer als langjährige Haftstrafen.

 

Gegen das Todesurteil gegen Saddam Hussein lässt sich noch anführen, dass dessen Vollstreckung, noch dazu während des islamischen Opferfestes, zur weiteren Gewalteskalation geführt hat.

 

Auch aus biblischer Sicht ist die Beurteilung der Todesstrafe meiner Ansicht nach eindeutig. Dabei denke ich nicht einmal nur an das 5. Gebot: Du sollst nicht töten, denn da ließe sich argumentieren, dass da ursprünglich nur das Morden gemeint sei. Eine andere Bibelstelle, gleich in den ersten Kapiteln der Bibel, halte ich für wesentlicher, was die Stellung zur Todesstrafe betrifft. Das Ur-Verbrechen schlechthin: Aus Neid erschlägt Kain seinen Bruder Abel und damit ein Viertel der damaligen Menschheit.

 

Gott sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden. Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und  ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet. Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände.

(1. Mose 4, 10 - 15)

 

Gott straft den Totschläger Kain, die Strafe ist hart und kaum zu ertragen, aber noch härter wird bestraft, wer den Kain erschlagen sollte. Kain soll am Leben bleiben. Zum einen soll Kain seine Tat verantworten, als Toter kann er das nicht mehr. Zum anderen aber gilt auch für Kain das, was für alle Menschen gilt. Selbst er, der das schlimmste Verbrechen begangen hat, ist und bleibt Gottes Ebenbild. Selbst der Mörder behält seine Menschenwürde. Und kein Mensch hat das Recht, über Gottes Ebenbild das endgültige und kapitale Urteil zu sprechen.

 

Selbst der Mörder besitzt menschliche Würde. Saddam Hussein ist und bleibt Gottes Ebenbild. Das ist ein Gedanke, der für die Opfer von Saddam Husseins Schreckensregime und deren Angehörige wohl unerträglich ist. Wieso soll der, der Menschenwürde mit Füßen getreten hat, ebendiese Würde selbst nicht verlieren?

 

Biblisch gesehen ist der Tod eines Verbrechers keine Lösung. Eine Gesellschaft, die tötet, verletzt das wichtigste Prinzip: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wie kann eine solche Gesellschaft dann glaubwürdig die Menschenwürde verteidigen?

 

Es steht nicht weniger als die Menschlichkeit auf dem Spiel. Rachegefühle mögen verständlich sein, ich maße mir gegenüber Verbrechensopfern oder deren Angehörigen kein Urteil an, schon gar nicht über ihre Gefühle. Es geht sicher auch nicht darum, Menschen, die einem vorsätzlich Grausames angetan haben, vorschnell zu vergeben, nach dem Motto: Schwamm drüber.

 

Wenn Jesus von Feindesliebe spricht, dann war er durchaus Realist. Böse Menschen werden nicht einfach gut, wenn man sie mit Liebe bombardiert. Aber eines hat Jesus wohl eingemahnt: Auch im Feind den Menschen zu sehen. Nur so, wenn wir in jedem Menschen einen Menschen sehen, und den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt, von Rache und Vergeltung endlich durchbrechen, hat der Frieden in unserer Welt eine kleine Chance. Vielleicht nutzen wir sie!