Das Evangelische Wort

Sonntag, 21. 01. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Gabriele Lang-Czedik, Wien

 

 

Während ich 2007 n. Chr. Österreichs neuer Regierung in der großen Koalition einen guten Start wünsche, ist der Prophet Ezechiel 600 Jahre vor Christus seine Regierung schon leid.

 

Dabei übt er sich mit seiner Kritik nicht gerade in vornehmer Zurückhaltung. Sondern er legt kräftig los über die regierenden Hirten seines Volkes:

 

Gott spricht zu mir: Menschensohn, weissage über diese Hirten Israels: Wehe euch Hirten, wenn Ihr Euch selbst weidet! Sollen Hirten nicht ihre Herde weiden? Die Milch der Schafe genießt ihr, mit ihrer Wolle kleidet ihr euch und das fette Vieh schlachtet ihr. Aber die Herde weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt, das Gebrochene habt ihr nicht verbunden und das Verlorene nicht gesucht, sondern mit Härte habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt.

 

Ezechiels Oberschicht hat tatsächlich hart geherrscht über die Armen ihres Volkes und sie richtiggehend ausgebeutet, sogar noch im gemeinsamen Exil. Die Unterschicht hat in ihrer Verarmung allen Glauben an Gott und an die Zukunft verloren. Als „No future –Generation“ sind sie umhergeirrt, haben sich anderen Religionen und jedem Aberglauben in die Arme geworfen und darin doch keine Hoffnung auf ein gerechteres Leben gefunden.

 

Darum klagt Ezechiel: Und so zerstreuten sie sich, weil sie ohne Hirten waren, und sie wurden den wilden Tieren zum Fraß. Und da ist niemand, der nach ihnen fragt, und niemand, der sie sucht.

 

Den Regierenden ruft Ezechiel darum entgegen: Ihr Hirten, hört das Wort Gottes: So wahr ich lebe, spricht Gott, ich will an die Hirten und will meine Schafe von ihrer Hand fordern. Ich will all dem ein Ende machen, dass sie nicht länger meine Schafe weiden dürfen. Denn ich selbst will jetzt nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen. Wie ein Hirte sich seiner Herde annimmt, so werde sie aus den Ländern sammeln und sie ankommen lassen.  Das Verlorene will ich suchen und das Versprengte zurückbringen. Das Gebrochene will ich verbinden und das Kranke stärken; das Fette und Starke aber will ich behüten. Und Gott will ein neues Hirtenamt einsetzen und einen Bund des Friedens mit seinem Volk schließen. Und er sagt: Ich werde sie zum Segen machen; Und sie werden erkennen, dass ich ihr Gott bin, wenn ich die Stangen ihres Jochs zerbreche.

 

Das wünsche ich unserer neuen Regierung: Dass sie ihr Amt als Hirtenamt ausübt, wie der Prophet Ezechiel es im Namen Gottes voraussagt:

 

Hirten an der Spitze, die nicht sich selbst weiden,  sondern für die Menschen sorgen, die ihnen anvertraut sind, die wirtschaftlich Schwachen stärken und unterstützen, den Kranken und hilflos Gewordenen ein Recht auf Pflege und Versorgung sichern, die Flüchtlinge aus armen Ländern - wenn irgend möglich - aufnehmen, sie bei uns ankommen lassen und  integrieren. Arbeitslos gewordene, gebrochene Frauen und Männer ernst nehmen, ihre Wunden verbinden und ihnen neue Arbeitsfelder eröffnen, Menschen, die sich als verloren empfinden, Gestrauchelte und straffällig Gewordene auffangen und ihnen Chancen in der Gesellschaft einräumen, den Jugendlichen, die versprengt umherirren ohne Lehrstelle oder Arbeitsplatz, Zukunft und Berufs-Möglichkeiten offen halten.

 

Was aber gedeiht und gelingt - wie mutige Menschen, die sich selbständig machen und so möglicherweise auch Wichtiges in die Gesellschaft einbringen - das soll nicht übermäßig belastet werden, sondern behütet und gefördert, sodass es stark werden kann…

 

Solche Hirten wünsche ich mir in der Regierung, die nicht sich selber weiden, sondern die Menschen, die ihnen anvertraut sind: Hirten, die das Verlorene suchen und das Versprengte zurückbringen, das Gebrochene verbinden, das Kranke stärken und das gelingende Leben behüten.