Das Evangelische Wort

Sonntag, 04. 02. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Mag. Barbara Knittel (Feldkirch)

 

 

"Lebendiger Gott, du hast mich gewebt im Leib meiner Mutter.

Ich danke dir, dass ich auf erstaunliche Weise wunderbar geschaffen bin". (Ps.139/13,14)

 

Von älteren Menschen, und ich gehöre ja auch dazu,  höre ich immer wieder – wie gut, das nicht mehr erleben zu müssen, was auf die heutige Jugend zukommen wird. Manchmal fürchte ich mich vor dergleichen Gedanken: die kommenden Herausforderungen einfach den nach mir Geborenen zu überlassen! Das ist nichts anderes als Resignation. Was noch dazu kommt – diese Resignation macht sich nicht nur unter den Alten breit. Bei den Jüngeren heißt das – mich geht das alles nichts an.

 

In einer Schweizer Ethikstudie aus 2005 wurden Politiker gefragt, was für sie einer der höchsten Werte ihrer Politik sei. Durch alle Parteien hindurch war es – die Nachhaltigkeit. Fast schon ein Modewort. Nachhaltigkeit heißt ja, - die nächste und übernächste Generation soll von den jetzigen politischen Entscheidungen profitieren können. Eine wunderbare Vision von Politik! Aber was davon spiegelt sich in der Wirklichkeit?

 

Wenn ich unsere tagespolitischen Meldungen ansehe, dann sind das entweder Katastrophenberichte oder Berichte über spektakuläre politische Nebenschauplätze. Aber genau dadurch wächst die Atmosphäre, in der sich Resignation und Ohnmacht breit machen. Wozu sich denn involvieren...

 

Neben diesen dunklen Gedanken kenn ich bei mir auch die andere Seite. Die Hoffnung auf ein gutes Leben, -jetzt und in der Zukunft. Ganz konkret hoffe ich jetzt wirklich, dass Politiker in unserem Land Aufgaben angehen, in denen es um Nachhaltigkeit geht – z, B. in der Bildung junger Menschen. Die ist mir besonders wichtig. Um welche Kriterien es für mich da geht, das ist mir in einem Gespräch mit einem jungen Mann sehr deutlich geworden. Er war als 19jähriger Soldat im ehemaligen Jugoslawien. Mit militärischen Drill wurde ihm eingebläut, seinen Namen zu verlieren und lebendig tot zu sein, um andere besser töten zu können. Genau in dieser Sprache hat er das ausgedrückt. Das ist sicher eine ganz extreme Erfahrung, aber im Ansatz kenn ich das auch bei anderen Menschen. Den eigenen Namen verlieren, das heißt, - im Vergleichen mit anderen, im ständigen 'besser werden', in Größenideen stecken zu bleiben, aber sich selbst mit den eigenen Möglichkeiten, Eigenheiten und Grenzen wenig zu kennen. Was diesen jungen Mann jetzt beseelt, das ist genau das andere. Sein Leben, seine Eigenheit wieder zu finden, in anderen Worten - den eigenen Namen zu finden – jetzt.

 

In einer alten jüdischen Geschichte stößt der Rabbi Sussja am Ende seines Lebens auf diese Frage nach dem Namen und bevor er stirbst, sagt er: "In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: "Warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich fragen: "Warum bist du nicht Sussja gewesen?"

 

Und warum erst am Ende des Lebens diese Frage? Ein wichtiger Teil von heutiger Bildung könnte ja sein – den eigenen Namen mitten in einer Vielfalt von anderen Namen zu finden. Mit persönlicher Eigenart zu leben und die der anderen zu respektieren. Und das mit einer Ahnung von viel größeren Zusammenhängen, in denen Anfang, Mitte und Ende des Lebens verbunden sind. Die Alten, - schon lange vor uns -, haben das mit ihren Bildern und Worten ausgedrückt, wie im 139. Psalm:

"Lebendiger Gott, du hast mich gewebt im Leib meiner Mutter. Ich danke dir, dass ich auf erstaunliche Weise wunderbar geschaffen bin". (Ps.139/13,14)