Das Evangelische Wort

Sonntag, 18. 12. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

Über die Freude

von Pfr. Rainer Gottas, evangelische Pfarrgemeinde Klagenfurt-Johanneskirche

 

  

Irgendwann in den letzten Tagen sitze ich im Garten und genieße die Strahlen und die Wärme der frühlingshaften Sonne. Ich trinke Kaffee und schaue meinen und den Nachbarskindern beim Spielen zu. Ausgelassen und fröhlich sind sie und sehr laut: sie lachen und rufen und scheren sich kein bisschen um die Umgebung. Hannah und Katharina versuchen sich im Federball. Jan und David spielen Fußball. Dazwischen rutschen sie mit ihren roten Bobs auf den Schneeresten herum. Dann schneidet Hannah eine ihrer unwiderstehlichen Grimassen - und alle miteinander lachen. Alles scheint ihnen selbstverständlich. Sie sind frei und freuen sich ihres Lebens. Das war so schön und so ansteckend, dass ich auch nicht anders konnte, als mich zu freuen …

 

Ein anderes Lachen finden wir im Fasching, der übermorgen zu Ende geht. Wenn in den Faschingssitzungen im Fernsehen der EU-Bauer über Brüssel schimpft, wird sich wieder halb Österreich zerkugeln. Wenn der Nachzipfer Politiker aufs Korn nimmt, werden sich unzählige Menschen auf die Schenkel klopfen. Wie unter Zwang werden die heimische Prominenz und Halbprominenz wieder da sitzen, wenn die „Schmutzwäsche“ des öffentlichen Lebens gewaschen wird. Und wenn sie selbst mit Spott übergossen werden, lachen sie – leicht gezwungen – über die eigene Entwürdigung.

 

Warum eigentlich schauen sich so viele Menschen die Faschingssitzungen im Fernsehen gerne an? Weil sie ausgelassen und fröhlich sind – ganz im ursprünglichen Sinn des Faschings? Weil sie sich auch ihres Lebens freuen – wie die Kinder? Oder weil sie sich ohnmächtig fühlen in einer Welt, auf deren Lauf sie wenig Einfluss zu haben meinen. Dann macht man sich wenigstens einen flüchtigen Spaß und lacht über „die da oben“. Lachen als Ventil. Lachen, weil man sonst nichts zu lachen hat.

 

Den Christen sagt man oft einmal nach, sie hätten auch nicht viel zu lachen. Sie wären unfrei und eingeschränkt - ihr Glaube eine „Religion der Verbote“.

 

Einspruch: Die Freude ist ein ganz wesentlicher Bestandteil meines Glaubens und meines Lebens - und das sollen die anderen ruhig mitbekommen. Die ganze Bibel verspricht uns Freude, zum Beispiel der Apostel Paulus, wenn er den Menschen in der Gemeinde in Philippi schreibt: „Freuet euch im Herrn allezeit! Und abermals sage ich: Freuet euch!“ (4,4). Freut euch - vielleicht ohne sichtbaren Anlass, aber nicht ohne Grund.

 

Glücklich der Mensch, der weiß: Ich bin nicht allein, ich werde gehalten von Armen, die stärker sind als Menschenarme, ich werde geliebt, von einem, dessen Liebe über die Grenze des Todes reicht. Kein kurzes „Faschings-Hochgefühl“, sondern eine tiefe Lebensfreude, die sowohl gute als auch schlechte Zeiten überdauert.

 

Und wer die Freude am Leben dennoch einmal zu verlieren droht, dem möchte ich den griechischen Roman- und Filmhelden Alexis Sorbas ans Herz legen, den Inbegriff des lebensfrohen Griechen. Sorbas zeigt vor, wie man sich im Leben trotz aller großen und kleinen Katastrophen Würde bewahren kann und unmittelbare, kindliche Lebensfreude und Freiheit – „Narren-Freiheit“ im wahrsten Sinn des Wortes. Als die Drahtseilbahn, die Sorbas vom Bergwerk zum Strand gebaut hat, bei der feierlichen Eröffnung unter großem Getöse zusammenkracht, und die Leute aus dem Dorf kreischend die Flucht ergreifen, sagt er zu seinem Freund Basil: „Hast Du jemals erlebt, wie etwas so schön zusammenkracht?“ Als Sorbas dann plötzlich ruft: „Der Hammel wird verkohlen“, beginnen die beiden im Angesicht des Dramas zu essen und zu trinken, zu lachen und am Strand Sirtaki zu tanzen – barfuss und im Sonntagsanzug. Sorbas liebt das Leben und fürchtet den Tod nicht – das ist seine Lebenseinstellung. In dieser Haltung liegt viel von der ursprünglichen und kindlichen und zutiefst christlichen Freude, die einem Kraft gibt und einen leben lässt.

 

Manchmal genügt mir, um mich zu freuen, aber auch einfach nur ein Federball, der in meiner Kaffeetasse landet oder eine Grimasse meiner Tochter oder ein Sonnenstrahl, der auf meiner Nasenspitze tanzt...