Das Evangelische Wort

Sonntag, 18. 03. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von  Dr. Jutta Henner

 

Vor 485 Jahren, im März des Jahres 1522, stellte Martin Luther seine berühmt gewordene Übersetzung des Neuen Testaments fertig. Sie wurde, wegen ihres Erscheinungsdatums, dann als „Septembertestament“ bekannt. Diese überaus gelungene Übersetzung hatte der große Reformator während seines Aufenthaltes auf der Wartburg innerhalb von nur 11 Wochen erarbeitet.

 

„Ich hab mich darum bemüht beim Dolmetschen, dass ich rein und klar Deutsch geben möchte. Und ist uns wohl oft begegnet, dass wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben ein einziges Wort gesucht und gefragt, haben’s dennoch zuweilen nicht gefunden. … Es läuft jetzt einer mit den Augen durch drei, vier Blätter und stößt nicht einmal an, wird aber nicht gewahr, welche Brocken und Klötze da gelegen  sind, da er jetzt drüber hingehet wie über ein gehobeltes Brett, wo wir haben müssen schwitzen und uns ängsten, ehe denn wir solche Brocken und Klötze aus dem Wege räumeten, auf dass man könnte so fein dahergehen…“

 

Luthers Septembertestament  sollte ein Bestseller werden. Es kostete einen halben Gulden – immerhin der Wochenlohn eines Handwerksgesellen. Die Übersetzung des Alten Testamentes sollte 13 Jahre dauern; 1534 erschien die vollständige Bibel in der Übersetzung Martin Luthers.

 

 „… man muß nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, …, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, dass man deutsch mit ihnen redet.“

 

Im Sinne der Bibel ging es Luther nicht um eine wortwörtliche Übertragung, sondern darum, den Geist der Bibel zu treffen und so die Botschaft der Bibel lebendig und erfassbar zu machen.

 

Das Gedenken an Martin Luthers meisterhafte Übersetzung des Neuen Testaments erinnert daran, dass Bibelübersetzung bis heute eine unerledigte Aufgabe ist! In 2.426 Sprachen ist zumindest ein Teil der Bibel übersetzt. Diese vor kurzem bekannt gewordene Zahl versetzt zunächst einmal ins Staunen.

Mich macht allerdings betroffen, dass es die vollständige Bibel gerade einmal in 429 der weltweit angenommenen 6.912 Sprachen gibt. Vier Fünftel der Menschheit mögen Zugang zur Bibel in einer Sprache haben, die sie verstehen, oft ist es aber nicht die Muttersprache. An mehr als 500 Bibelübersetzungen wird weltweit gearbeitet. Vorhandene Übersetzungen wollen überarbeitet werden, vor allem damit sie verständlich bleiben. Das Echo, das Luthers Übersetzung fand, lässt sich noch heute ahnen, wenn nach Fertigstellung einer Bibelübersetzung voll Freude zu hören ist: „Gott spricht jetzt auch unsere Sprache.“ Eine Freude, die immer wieder in Südamerika, Afrika, Asien, aber auch bei den indigenen Einwohnern Nordamerikas oder Australiens zu erleben ist. Es wird noch eine Weile dauern, bis alle Menschen diese Erfahrung machen können.

 

Martin Luthers Septembertestament und  Bibelübersetzungen in neue Sprachen heutigen Tages haben einiges gemeinsam: Bibelübersetzungen prägen die Sprache. Eine Bibelübersetzung stärkt die Identität, gerade wenn es um Sprachen von Minderheiten geht. Bibelübersetzung ist ein wertvoller Beitrag zur Bildung. Moderne Bibelübersetzungen in der Dritten Welt gehen einher mit Alphabetisierungsprogrammen, die die Lebensbedingungen der Menschen nachhaltig verbessern. Und: Bibelübersetzungen lassen die Kirchen und Gemeinden wachsen und lebendig werden. Eines hat sich ja seit Zeiten der Reformation Gott sei Dank geändert: Heute bringen Bibelübersetzungen, vor allem in Ländern der Dritten Welt, die Kirchen zusammen. Und eine gemeinsame Bibelübersetzung eint und stärkt die Christenheit in einem Land!

 

Ach, es ist Dolmetschen keineswegs eines jeglichen Kunst, …; es gehöret dazu ein recht fromm, treu, fleißig, furchtsam, christlich gelehret, erfahren, geübet Herz.“


Damals, vor 485 Jahren, gilt wie heute, dass Bibelübersetzen nicht einfach ist. Schließlich geht es nicht nur darum, einen umfangreichen Text aus vergangener Zeit in eine andere Sprache zu übertragen. Die Bibel ist ein Glaubensbuch, ein Lebensbuch, das gut zu übersetzen wohl nur dem wirklich möglich ist, der – neben allem Wissen und Können - sich auf die Botschaft der Bibel einlässt.