Das Evangelische Wort

Sonntag, 01. 04. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Peter Pröglhöf, Fachinspektor für den evangelischen Religionsunterricht in Salzburg, Tirol und Vorarlberg

 

 

In den vergangenen Jahren habe ich am Palmsonntag immer wieder erlebt, dass Kinder mit bunt geschmückten Palmbuschen zum Gottesdienst auch in die evangelische Kirche gekommen sind. Das ist ja ein Brauch, der in der katholischen Kirche üblich ist und den wir in der evangelischen Kirche bisher nicht gekannt haben. Ich habe mich über die Kinder und ihre Palmbuschen gefreut. Sie haben eine fröhliche Stimmung und ein wenig Farbe in unsere Gottesdienste gebracht, die gerade in der Passionszeit oft so ernst und dunkel sind.

 

Der Palmsonntag hat ja auch so eine freudige Botschaft: Jesus zieht in Jerusalem ein und wird dort jubelnd empfangen – wobei sich die Evangelien nicht ganz einig darüber sind, wer da nun gejubelt hat: die Jünger, oder die Menschenmenge, die vor ihm hergezogen und hinter ihm gegangen ist, oder Festpilger, die gerade in Jerusalem waren. Wie dem auch sei, die Freude prägt diesen Tag, und mit den jubelnden Menschen von damals freuen auch wir uns darüber, dass Jesus zu uns kommt.

 

Allerdings ist der Palmsonntag auch der Beginn der Karwoche. Die Auseinandersetzungen zwischen Jesus und der Jerusalemer Obrigkeit spitzen sich zu. Er wird verhaftet werden, verurteilt und hingerichtet, und erst am Ostermorgen werden seine Jüngerinnen und Jünger anfangen, die Katastrophe neu zu verstehen.

 

Mir ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, diese Stationen auf dem Weg, den Jesus geht, bewusst mitzugehen: Vom Palmsonntag und den Tagen der Begegnungen und Auseinandersetzungen in Jerusalem, über den Gründonnerstag mit der Gemeinschaft beim letzten Abendmahl, dem Verrat, der Einsamkeit, der Verhaftung, hin zum Karfreitag mit seinen Gräueltaten. Aber auch der Karsamstag ist mir wichtig geworden als Tag der Grabesruhe. Er lässt mir ein wenig Zeit, um von der Dunkelheit des Karfreitags zum Licht des Ostermorgens zu gelangen.

 

Es ist gar nicht so leicht, sich auf diesen Weg zu konzentrieren. Am Karfreitag tobt in den Einkaufszentren das Geschäft. Ich versuche seit Jahren, an diesem Tag die Begegnung mit den modernen Tempeln des Konsums zu vermeiden. In Salzburg nützen auch viele unserer bayerischen Nachbarn aus, dass der Karfreitag bei uns kein staatlicher Feiertag ist und kommen in Scharen zum Einkaufen. Ist es nicht merkwürdig: Da reden wir in den Gottesdiensten von der Erlösung, die Jesus am Kreuz gebracht hat, aber die Massen sind mit dem Einkaufen beschäftigt. Ist das die moderne Form, sich selbst zu erlösen? Wahrscheinlich haben so manche den Palmsonntag mit seiner festlichen Stimmung noch mitgefeiert – doch der Rest der Karwoche geht an ihnen spurlos vorüber.

 

In unserer evangelischen Tradition gibt es aber auch das Umgekehrte: Ich kenne Leute, die nur am Karfreitag in die Kirche gehen. Ich habe mich oft gefragt: Was ist das eigentlich für ein Bild von evangelischen Gottesdiensten, das diese Menschen mitnehmen? Sie kennen im Grunde nichts anderes, als diese gedrückte Atmosphäre mit den schweren Liedern, die das Leiden Jesu ausmalen und unsere Schuld daran, und Predigten, mit denen sich die Pfarrerinnen und Pfarrer abmühen wie wahrscheinlich kaum an einem anderen Tag.

 

Dabei gehört das doch alles zusammen in unserem Leben: der Jubel und der Schmerz, das Feiern und die Verzweiflung, das Auf-die-Welt-Kommen und das Sterben-Müssen. In Wahrheit kann kein Mensch das Eine ohne das Andere haben. Im Rückblick sind es oft die dunklen Tage, die mir einen neuen Blick auf das Leben ermöglichen und umgekehrt sind es oft die hellen Tage, in denen ich genügend Kraft gesammelt habe, auch die dunklen zu bestehen. Die Karwoche mit ihren Stationen ist ein Angebot, dieses Zusammengehören einzuüben.

 

Heute ist Palmsonntag. Das Angebot beginnt jetzt.