Das Evangelische Wort

Sonntag, 08. 04. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Peter Karner, Wien

 

 

Johann Wolfgang von Goethe / Faust I. / Osterspaziergang

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

durch des Frühlings holden belebenden Blick:

Im Tale grünet Hoffnungsglück. Der alte Winter in seiner Schwäche,

zog sich in rauhe Berge zurück.

Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,

denn sie sind selber auferstanden:

Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht

sind sie alle ans Licht gebracht.

Ich höre schon des Dorfs Gewimmel,

hier ist des Volkes wahrer Himmel:

Zufrieden jauchzet Groß und Klein –

hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein.“

 

Goethes Osterspaziergang ist voller Trubel, laut, ein Volksfest. Der erste Osterspaziergang – wie ihn die Bibel erzählt – war traurig, still und einsam. Und eigentlich war er gar kein Spaziergang. Drei Frauen waren auf dem Weg zum Grab Jesu Christi, um seinen Leichnam zu salben. Es hat so ausgesehen, als würde der erste „Osterspaziergang“ einfach ein pietätvoller Friedhofsbesuch werden. Und dann hat es auch noch praktische Schwierigkeiten gegeben: „Wer wird uns den großen Stein vom Grab wegwälzen, dass wir den Leichnam herrichten können?“

 

Und dann die große Überraschung! Sie sehen, dass der Stein längst weggewälzt ist. Und das Grab war leer – Grüfte sind, scheint´s, kein Aufenthaltsort für einen Gottessohn.

 

Wenn heutzutage Menschen in eine Kirche gehen, dann geht es ihnen oft ähnlich wie den drei frommen Frauen vor langer Zeit. Sie werden das Gefühl nicht los, dass sie irgendwie einen Friedhofsbesuch machen: dass sie ein Haus betreten, wo der Gottessohn begraben liegt: so gut eingemauert, dass er nicht heraus kann. So als sollte es einen religiösen Betriebsunfall wie „die Auferstehung von den Toten“ kein zweites Mal geben.

 

Allerdings – in der modernen Gruft wird dem Leichnam Christi jede nur erdenkliche Ehre erwiesen. Und wenn er nicht sowieso schon tot wäre, so hätten sie ihn längst zu Tode gesalbt: mit ihren salbungsvollen Reden, den Dogmen des Todes, den Vorschriften im Dienst der Angst. Er ist gestorben und Friedhofsgärtner und Museumsbeamte erklären den ehrfürchtigen Gruftbesuchern, was er eigentlich sagen wollte.

 

Doch das alles ist nur ein böser Traum. Denn der Stein vor der Gruft kommt nicht zur Ruhe. Es kommt immer wieder ein Engel, der den Stein wegwälzt. Das echte Grab Christi erkennt man daran, dass es leer ist und dass das Salbungspersonal seine Arbeitsplätze verloren hat.

 

Zugegeben – wissenschaftliche Beweise kann es wahrscheinlich nicht für die Auferstehung geben, aber Vertrauensbeweise: nämlich das Vertrauen auf Menschen, die Zeugen dieser Auferstehung waren: bevor noch ein einziges Buch des Neuen Testaments geschrieben war. Z.b. diese drei Frauen beim Osterspaziergang.

 

Und die, die die Bücher des Neuen Testamentes geschrieben haben, haben es eigentlich nur deshalb getan, weil Jesus auferstanden ist.

 

Also: Ohne Auferstehung keine Bibel!

Und das ist das Erlebnis des Osterspazierganges: Es wird ununterbrochen auferstanden. Und wer diese Auferstehung verzögern oder verhindern will, der wird bestimmt seinen Engel finden.

 

Goethe hat schon recht, wenn er sagt: „Jeder sonnt sich heut so gern; sie feiern die Auferstehung des Herrn: denn sie sind selber auferstanden – aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht, sind sie alle ans Licht gebracht.

 

Wenn Jesus wirklich auferstanden ist von den Toten, dann sollten Kirchen eigentlich Institute sein, wo man „auferstehen“ lernen kann. Und wer auferstehen gelernt hat, der kann nur leicht amüsiert über jene Totengräber lächeln, die einen Friedhof für eine Endlagerung von Menschen halten.

Fröhliche Auferstehung!