Das Evangelische Wort

Sonntag, 22. 04. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Mag. Roland Werneck, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Wien

 

 

In diesem Jahr habe ich die Osterfeiertage ökumenisch gefeiert. Am Gründonnerstag nahm ich an einem sogenannten Tischabendmahl in einer evangelischen Gemeinde teil. Im Zentrum der liturgischen Feier stand das gemeinsames Essen und Trinken in der um einen großen Tisch versammelten Gottesdienstgemeinde. Ich erlebte eine Gemeinschaft von sehr unterschiedlichen Menschen. Das Gespräch mit meinen Tischnachbarinnen über das Heilige Abendmahl empfand ich als Bereicherung und Stärkung.

 

Am Karsamstag war ich abends Gast bei einer katholischen Osternachtfeier. Ich war beeindruckt von der Fülle der Symbole dieses Gottesdienstes. Als Zeichen der Auferstehung wurde eine kunstvoll geschmückte Osterkerze an einem Feuer in der Kirche entzündet. Der Höhepunkt der Liturgie war ein stehend gesungenes fröhliches Osterlied. Alle Glocken der Kirche läuteten gleichzeitig, die Orgel spielte alle Register.

 

Die Freude über das Ostergeschehen war hier auf sehr  vielfältige Weise nachvollziehbar. Aber kein Jubel hält ewig an. Nicht einmal der Osterjubel über die Auferstehung. Irgendwann holt uns der Alltag wieder ein, irgendwann kommen die alten Zweifel wieder. Was bleibt zwei Wochen nach Ostern?

 

Die fröhlichen Melodien der österlichen Halleluja-Lieder schwirren noch in meinem Kopf: Christ ist erstanden! Jesus lebt, mit ihm auch ich – Tod, wo sind nun deine Schrecken? Wie klingt diese Botschaft, zwei Wochen danach?

 

Die Nachrichten aus den Krisengebieten der Welt sind nicht besser geworden. Das Leiden der Menschen ist nicht weniger geworden. Das haben die Jünger Jesu damals wohl auch gespürt, zwei Wochen, nachdem sich der Auferstandene ihnen gezeigt hat.

 

Sie waren wahrscheinlich ziemlich verwirrt von all den Eindrücken dieser Tage. Und doch waren sie davon überzeugt: diese Welt ist nach Ostern anders als vorher. Sie erinnerten sich an das, was ihnen Jesus als Wegzehrung für den Alltag mitgegeben hat: Das Brechen des Brotes, das Teilen des Bechers mit Wein wurde so für sie und die Christen und Christinnen aller Zeiten das Zeichen dafür, dass Jesus bei ihnen ist, dass das Leben stärker ist als der Tod.

 

„Christen sind Protestleute gegen den Tod“ sagte der evangelische Theologe Johann Christoph Blumhardt vor über 100 Jahren.

 

Wer Ostern feiert, das Fest der Auferstehung, kann sich nicht damit abfinden, dass uns der Tod jeden Tag neu in Angst und Schrecken versetzen will.

 

Mit Ostern beginnt tatsächlich etwas Neues:  Wir haben eine neue Antwort, wenn wir uns fragen, von wem wir unser Leben wirklich bestimmen lassen und worauf wir es ausrichten. Nicht die sogenannten Herren dieser Welt können uns die Antwort geben, nicht die Mächtigen in Politik und Wirtschaft sind die letzte Instanz, sondern der, der den Tod besiegt hat. Wo Christen und Christinnen sich versammeln und Abendmahl feiern, das Licht der Osterkerzen anzünden, Auferstehungslieder singen, werden sie zu Protestleuten gegen den Tod. Sie finden sich auch im Alltag nicht einfach ab mit Gewalt, Krieg und Ungerechtigkeit.

 

Protestieren ist oft unbequem und anstrengend. Das Protestieren gegen den Tod und alles, was mit ihm zusammenhängt, besonders. Deshalb brauchen wir gerade auch nach Ostern dringend immer wieder diese Wegzehrung für den Alltag, brauchen wir den gegenseitigen Austausch, die Gemeinschaft, das Essen und Trinken, das Singen und Beten.

 

Die ersten Christen und Christinnen haben jeden Sonntag als Tag der Auferstehung gefeiert. Kein Jubel hält ewig an. Der Osterjubel ist nicht immer so laut und feierlich wie in der Osternacht. Aber irgendwie ist doch jeder Sonntag ein kleines Osterfest, ein Jubeltag darüber, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird.