Das Evangelische Wort

Sonntag, 29. 04. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendentin Luise Müller

 

  

Ist jemand in Christus so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. 2. Kor.5,17

 

 

Hast du schlecht geschlafen? Fragte mein Freund mich und schaute mich mitfühlend an. Nein, musste ich ihm antworten, geschlafen habe ich relativ gut. So kaputt schaue ich derzeit immer aus. Solange, bis sich der Frühling wieder beruhigt hat und die Pollen nicht mehr in Milliardenstärke zum Angriff auf mich und viele andere losgehen.

 

Jubilate – der Name des heutigen Sonntags  - das ist derzeit das falsche Stichwort für mich. Nichts mit Halleluja, nichts mit jauchzen und jubeln. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich müde und erschöpft, die Augentropfen und das Taschentuch sind mein ständiger Begleiter. Ich zweifle an der Welt, an mir, an allem.

 

Der heutige Wochenspruch hilft mir aufs erste auch nicht weiter. Er steht im 2. Korintherbrief, im 5. Kapitel und lautet: Ist jemand in Christus so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

 

Ich spüre nichts Neues in mir. Das Alte, Ungeliebte, Unzureichende ist immer noch da. Und ich weiß, dass es so wie mir genügend anderen geht. Manchmal, da wird alles zu viel: die Tretmühle des Alltags, die Anforderungen in Beruf und Familie, das Aktivsein, das Leben. Wenn dann noch, wie bei mir derzeit, eine gesundheitliche Belastung dazu kommt, schleicht sich schon mal ein depressives Verhalten ein.

 

Aus Erfahrung weiß ich, dass mit abnehmender Pollenbelastung mein Allgemeinbefinden wieder sehr viel besser wird. Aber wie geht es den anderen? Denen, die grundlegender leiden als ich? Die, die schon Wochen und Monate keine Kraft und keinen Antrieb mehr spüren? Die, die nicht nur durch aggressive Pollen belastet sind, sondern durchs Leben? Konkreter: durch ihre Art zu leben.

 

Immer mehr Menschen in meiner Umgebung schrammen am Rande einer permanenten Überforderung dahin. Und manchmal, da brechen sie ganz zusammen. Burnout, nennt man diesen Zustand. Ausgebrannt. Die innere Flamme, das Feuer des Lebens ist aus. Manchmal sind nicht einmal mehr Glutnester da, manchmal, da ist es ganz kalt in einem. Menschen, die gerade noch vor Begeisterung geleuchtet haben, sind am Ende. Ich habe mich, meinen Körper nicht mehr gespürt, ich war nicht mehr da, hat mir jemand erzählt, der in solch einem Zustand war.

Ist jemand in Christus so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

 

Immer wieder sind die biblischen Texte eine Zumutung. „Eine neue Kreatur sein“ steht da. Kreatur. Das erinnert daran, dass wir Menschen Geschöpfe sind. Dass wir uns nicht selbst an den Haaren aus den Sümpfen des Lebens ziehen müssen, sondern uns an Gott wenden können.

 

Manchmal nur noch klagend, jammernd, weinend. Aber wir Christinnen und Christen haben einen Ansprechpartner in den depressiven Verzweiflungen unseres Lebens. Und wir können die Zusage des Neuwerdens, der Veränderung, einfordern: mach auch mich neu, Gott, neu in Christus. Reiß mich heraus aus dem mir selber Fremdsein. Lass mich nicht in meiner Angst verkommen, gib mir neue Stärke. Führ mich aus der kalten Asche meiner Existenz zur Wärme deiner Gegenwart. Mach mich neu, Gott.