Das Evangelische Wort

Sonntag, 06. 05. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Frank Lissy-Honegger (Rust, Burgenland)

 

 

Der Unterricht für die Schülerinnen und Schüler der Maturaklassen endet. Letzte Versuche werden unternommen, um doch noch nachzuweisen, dass das Klassenziel positiv erreicht worden ist, allerletzte Prüfungen und Tests. Konferenzen werden abgehalten, Lehrerinnen und Lehrer tagen, um sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen der Reifeprüfung auseinander zu setzen, Themenstellungen für die Klausuren werden erarbeitet. Für die Abschlussklassen der allgemeinbildenden und der berufsbildenden  mittleren und höheren Schulen geht das Arbeitsjahr in seine entscheidende Phase. Ich unterrichte an einer höheren technischen Lehranstalt und einer Handelsakademie und Handelsschule in Eisenstadt und bin damit auch ein Teil dieses Prozesses. Mein Gegenstand heißt evangelische Religion. Ich unterrichte ihn insgesamt 15 Wochenstunden an den genannten Schulen, es ist der Schwerpunkt meiner Berufstätigkeit, darüber hinaus bin ich Pfarrer der evangelischen Pfarrgemeinde Rust.

 

Den Anfang dieser Woche,  die Zeit vom 29. April bis zum 1. Mai habe ich in Salzerbad bei Hainfeld verbracht, ich habe mich dort mit anderen Lehrern getroffen, um an einem Lehrplan zu arbeiten. Wir wollten uns darüber klar werden, welche Kompetenzen unsere Schülerinnen und Schüler durch den Religionsunterricht entwickeln sollen.

 

Warum überhaupt haben HTL-Schüler nicht nur Unterricht in Mechanik, Fertigungstechnik und ähnlichen Gegenständen, warum haben sie auch Religionsunterricht? Warum reicht es für  Handelsakademiker nicht, Betriebswirtschaft und Rechnungswesen zu lernen? Was soll der Religionsunterricht? Werbung für die Kirchen - so wie früher die Belangsendungen im Fernsehen? Ich hoffe nicht. Unverzichtbar im Bildungsauftrag der Schule nach §2 des Schulorganisationsgesetzes – Erziehung zu den sittlichen, religiösen und sozialen Werten, den Werten des Guten, Wahren und Schönen – das erscheint mir – mit Verlaub – etwas verlogen.

 

Dennoch: ich meine, dass der Religionsunterricht einen guten Beitrag leistet. Natürlich ist er ein Ort, an dem nach Gott gefragt wird, Gottesvorstellungen überprüft werden, Glaubens- und Frömmigkeitsformen kennen gelernt werden. Ich bin aber auch überzeugt, dass ein guter Unterricht dazu beiträgt, dass die Schülerinnen und Schüler mehr über ihr Leben wissen. Bewusstheit über das eigene Leben, über sich, seine Möglichkeiten, Fähigkeiten und Grenzen, das ist wichtig, für jede Schülerin und jeden Schüler - ganz sicher auch für die berufliche Zukunft.

 

Genauso bin ich überzeugt, dass mein Unterricht hilft, Beziehungen zu gestalten. Dass man hier nachdenkt, über Beziehungen innerhalb der Familie, in der Schule, im Freundeskreis, über die Rollen, die man übernimmt oder verweigert, wo man Raum hat, nachzudenken, über Sexualität geradeso wie über den erstrebten Arbeitsplatz.

 

Mich der Welt zu stellen, eigene begründete Überzeugungen zu entwickeln gegenüber dem, was anders und fremd ist, vielleicht sogar sehr anders und ganz fremd, gegenüber anderen Kulturen und Religionen. Fremde Formen des Zusammenlebens zu verstehen versuchen, das passiert genauso in einem guten Religionsunterricht wie die Beschäftigung mit den Rändern des Lebens, der Geburt, dem Tod, dem Schwangerschaftsabbruch wie der Sterbehilfe, der Organspende und den Möglichkeiten und Gefahren von Gentechnologie.

Ich bemühe mich darum, dass meine Schülerinnen und Schüler lernen, ihre Überzeugungen und Taten zu begründen, sich der Kritik auszusetzen, ihre Urteile gewissenhaft zu prüfen.

 

Und ich bemühe mich um Wahrhaftigkeit. Nicht, dass ich die Wahrheit hätte und andere müssten sie nur übernehmen, „lernen“ in einem eintrichternden, überstülpenden Sinn, ich bemühe mich um Wahrhaftigkeit und erwarte das auch von meinen Schülerinnen und Schülern, und die Wahrheit selbst, ja die ist bei Gott allein.