Das Evangelische Wort

Sonntag, 13. 05. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Mag. Ingrid Tschank (Gols, Burgenland)

 
 

Am Anfang unseres Lebens steht immer unsere Mutter. In ihrem Bauch sind wir gewachsen und gereift. Sie hat uns genährt und uns behütet. Sie hat uns erwartet und erhofft, viele Wochen lang. Dann hat sie uns in den Arm genommen und unsere ersten Tränen getrocknet. Wie unglaublich dieser Augenblick ist, drückt das Gedicht einer Mutter aus, das sie zur Geburt ihres Kindes geschrieben hat.

Als ich dieses Kind, mein Kind geboren habe,

da hielt die Sonne für einen Moment ihren Lauf an,

und es ward Stille im All und ein Schrei erklang,

der Schrei meines Kindes.

Und bis zu allen Sternen hin war nur eines in der Welt:

Seine Augen, und seine kleinen Hände und Füße,

und - dass es mein Kind war.

Das ist mein Erleben, das muss ich mitteilen,

um es selbst fassen zu können.

 

Ein Leben lang sind wir Kinder für unsere Mütter das wichtigste auf dieser Welt. Sie helfen uns zu wachsen, zu reifen und zu erblühen. Sie glauben mit uns an unsere Zukunft und hoffen für uns, wie kaum jemand anderer, dass unser Leben gelingt. Sie sind unser Schutzraum und letzter Zufluchtsort. Alle unsere Geheimnisse finden bei ihnen einen verborgenen Platz. Unsere innigsten Wünsche kennen sie und schicken sie in den Himmel, dorthin, wo unser eigenständiges Leben ist. Wie oft haben wir uns an sie angelehnt, wie an den festen Stamm eines großen Baumes. Manchmal aber auch an ihnen fest gerieben. Sie haben uns gelehrt zu lieben, zu reden und zu spielen, zu feiern und zu streiten, zu spielen und Pläne zu schmieden, sie haben uns gelehrt zu glauben und zu hoffen.

 

Seit damals hat sich vieles verändert. Wir sind erwachsen und selbständig geworden. Wir haben unseren Weg gefunden, manchmal durch Tränen und Leid, manchmal durch Lachen und Glück hindurch. Was uns durch alle Zweifel und Unsicherheiten des Alltags hindurch trägt, das ist die Zuversicht, dass wir uns der Liebe unserer Mutter immer gewiss sein können. Auch als erwachsenes Kind tut es gut, dann und wann zu ihr zu kommen, an sie anzulehnen und bei ihr auszuruhen. Noch immer sind ihr Trost und ihre Geborgenheit wohltuend, auch ihre Hilfe und die Gewissheit, dass sie unsere Tränen trocknen wird. Beim Propheten Jesaja (66, 13) heißt es: „Ich will euch trösten, wie einen eine Mutter tröstet.“

 

Der christliche Gott ist Vater und Mutter, denn er ist ein Gott der Liebe. Er wählt das Leben und nicht den Tod, er will, dass wir alle, Frauen und Männer, das ganze Leben in seiner reichen Fülle erfahren. In Gott selbst lebt die Fülle, denn er ist weiblich und männlich, schwesterlich und brüderlich, machtvoll und zärtlich. Der holländische Theologe und Dichter, Huub Oosterhuis, drückt das in einem seiner Gedichte so aus:

Wie eine Mutter sorgt

für die Kinder, die ihr anvertraut,

und einsteht, dass sie leben:

So wirkt ein Gott der Liebe,

keine Stund` verlässt er uns.

Nicht mehr verstummt das Wort,

das er uns hat gegeben.

 

Wie eine Mutter uns an der Hand nimmt,

führt er uns geduldig mit seinem Wort

aus dem Land der Angst in das Land des Lebens,

der Freiheit und der Liebe.

 

Frauen und Mütter leisten im Kleinen und im Großen einen wesentlichen Beitrag für ein gelingendes Leben in den Familien, für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, für das Heranwachsen der nächsten Generation, für die Betreuung von alten und kranken Menschen, und letztlich auch für den Glauben und für die Kirche.

Herzlichen Glückwunsch zum Muttertag!