Das Evangelische Wort

Sonntag, 27. 05. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Mag. Renate Moshammer, Pörtschach, Kärnten

 

 

Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald.

 

Weiter bin ich in diesem Gedicht von Goethe in meiner Schullaufbahn nicht gekommen. Diese Zeilen haben gereicht, um das Versmaß des Daktylus zu erlernen.

Pfingsten, das liebliche Fest …

Noch immer fallen mir Jahr für Jahr diese Worte ein, wenn dieses Fest näher kommt. Dabei können sich so viele Menschen heute keinen Reim mehr darauf machen. Was feiern wir da? Das Kommen des Geistes Gottes? Abstrakter geht ´s kaum mehr.

 

Zu Weihnachten, da haben wir wenigstens noch ein herziges Kind in der Krippe – dass die nach fauligem Stroh stinkt und nicht gerade unseren Hygienestandards für Neugeborene entspricht, vergessen wir. Zu Ostern haben wir den Hasen – und den Insidern fällt vielleicht auch noch der Mann am Kreuz und das leere Grab ein. Aber zu Pfingsten?

 

Als der Pfingsttag gekommen war, erzählt Lukas in der Apostelgeschichte, waren alle an einem Ort versammelt. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Tosen wie von einem Wind, der heftig daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich aufhielten. Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und auf jede und jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Da wurden sie alle von heiliger Geistkraft erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden; wie die Geistkraft es ihnen eingab, redeten sie frei heraus.

 

Pfingsten, das ist immer wieder eine Herausforderung für meinen Glauben. Und das nicht nur, weil es so wenig handfest, so wenig greifbar ist. Der Ausgangspunkt von Pfingsten ist und bleibt die Angst. Damals die Angst, verfolgt zu werden. Als Sympathisant eines verurteilten Verbrechers. Wer will schon für einen Gekreuzigten das Wort ergreifen?

Heute ist es die Angst, nicht verstanden zu werden. Wer will sich schon den Mund verbrennen, indem er von so alten Geschichten erzählt? Ja, wie kann man überhaupt so alte Geschichten in neue Worte kleiden, damit sie wieder verstanden werden?

 

Der Ausgangspunkt von Pfingsten ist die Angst.

Die Jüngerinnen und Jünger Jesu haben sich in ihrem Haus versteckt, vergraben mit den alten Geschichten. „Weißt du noch, damals, als wir mit ihm durch die Dörfer gezogen sind? Weißt du noch, damals, als ein Wort von ihm genügt hat, und wir haben Heil und Heilung gespürt?“

 

Der Blick zurück ist wichtig, damit man nicht vergisst, woher man kommt. Aber er darf nicht der einzige Blickwinkel sein, aus dem etwas betrachtet wird. Zu Pfingsten haben das die Christen in Jerusalem erfahren. Sie haben eine neue Sprache gesucht.

Sie haben begonnen, erfüllt von Gottes bewegender Kraft, in anderen Sprachen zu sprechen. Sie haben begonnen, von ihrer Zukunft zu reden.

Und sie redeten frei heraus.

Die Türen sind geöffnet, Barrieren beiseite geräumt worden.

 

Der Ausgangspunkt von Pfingsten ist die Angst.

Die Aufgabe ist die gleiche geblieben: eine Sprache finden, die in die Zukunft weist. Dabei tut es gut, die alten Geschichten zu erzählen. Die Geschichten von Geborgenheit und Heil. Sie zeigen, dass wir im Glauben das Rad nicht neu erfinden müssen. Aber als Pfarrerin muss ich lernen, diese Geschichten hereinholen in unsere Zeit, in unsere Sprache. In die Sprache und in die Erlebniswelt der Kinder in der Schule. In die Sprache der Menschen, die mir in meinem Alltag begegnen.

 

Das wünsch ich mir heuer zu Pfingsten:

Dass sich Türen öffnen und Menschen zueinander finden – vielleicht bei einem Spaziergang im grünen, blühenden Feld und Wald.

Dass sich Türen öffnen – auch die Kirchentüren. Hinter denen so oft die Angst sitzt vor Veränderung und Neuem. Dass Barrieren beiseite geräumt werden und wir zu einer Sprache finden, die vom Leben erzählt. Voll Begeisterung und ohne Furcht.

 

Denn der Ausgangspunkt von Pfingsten mag die Angst sein.

Das Ziel aber ist das Wort der Befreiung – in den Sprachen dieser Welt und für diese Welt.