Das Evangelische Wort

Sonntag, 12. 08. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Martin Müller (Waiern, Ktn.)

 

 

„Das Land meiner Träume“

Der kleine Bär und der kleine Tiger leben unten am Fluss. Dort, wo der Rauch aufsteigt, neben dem großen Baum.

Sie haben auch ein Boot. Und wohnen in einem kleinen, gemütlichen Haus mit Schornstein.

„Es geht uns gut“ sagen sie. Manchmal gehen sie mit der Angel fischen oder in den Wald Pilze suchen und dann gibt’s ein gutes Essen mit Waldbeerenkompott und Honig.

Aber eines Tages finden sie vor ihrem Haus im Fluss eine Kiste treiben, wo drauf steht „Panama“. Und mit einem Mal beginnen sie zu träumen.

Wie schön es da sein muss. Dorthin wollen sie ziehen, nach Panama, an die Endstation ihrer Sehnsucht, ins Land ihrer Träume.

Panama - sie wissen zwar nicht, wo es hingehen soll, sie kennen keinen Weg, aber eines schönen Tages packen sie ihre Sachen und ziehen los.

Alle möglichen Tiere fragen sie nach dem Weg: „Wo geht’s hier nach Panama?“.

Den Fuchs, der grade eine Gans verspeist, die Kuh auf der Weide oder die Feldmaus – alle sagen ihnen die Richtung, aber keiner weiß es wirklich.

Und weil sie unbemerkt im Kreis gegangen sind, kommen sie nach einer langen Reise schlussendlich wieder daheim bei ihrem Haus an.

Irgendwo hängt da das Schild der alten Kiste mit dem Namen Panama. Und weil sie alles bekannt und vertraut finden, nach langer Zeit aber auch irgendwie seltsam und fremd, meinen sie, jetzt am Ziel ihrer Reise angelangt zu sein. „Wie gut, dass wir Panama gefunden haben“, sagen sie zueinander, beziehen neu ihr altes Haus mit dem kleinen Garten am Fluss, bauen sich einen Schaukelstuhl, reparieren das Dach und staunen voller Freude: „Wir haben das schönste Haus der Welt gefunden. O wie schön ist Panama!“

 

Eigentlich ist es eine Kindererzählung des bekannten Kinderbuchautors und Grafikers Janosch. Die liebvoll kindliche Geschichte mit den entzückenden Bildern hab ich oft meinen Kindern vorgelesen. Und nach und nach entdeckt, dass sich hinter der schlichten Erzählung des Agnostikers Janosch auch für uns Erwachsene eine tiefe Wahrheit verbirgt über das Leben und seine Träume, über Hoffnung und Sehnsucht.

 

Manche von uns freuen sich gerade über Urlaub und Ferien: nach Zeiten intensiver Arbeit sind sie vielleicht ausgepowert und müde, wollen alles hinter sich lassen, wollen ausspannen und aufbrechen in das Land ihrer Träume.

Aber die Sehnsucht vom Land unserer Träume hat noch eine viel tiefere Bedeutung: sie erzählt einerseits von der Liebe zur Freiheit und vom Ausbrechen und auf der anderen Seite von der Hoffnung nach Glück und erfülltem Leben.

Im Land meiner Träume möchte ich ernst genommen werden, da werde ich nicht nach meinen Leistungen beurteilt, sondern da bin ich Mensch, da darf ich sein, da finde ich Freunde, die mich verstehen, die mir was zutrauen, wo ich Geborgenheit erfahre und wo ich anderen Gutes tun kann.

 

In der Bibel finden sich viele Aufbruchsgeschichten:

Bei Abraham etwa, der ins Land der Verheißung zieht - er erlebt dabei Segen und wird für andere zum Segen.

Oder Mose mit dem Volk Israel: in Ägypten, dem Land  der Knechtschaft, treibt sie die Sehnsucht nach Freiheit um, bis sie losziehen ins Gelobte Land.

Und bei Jesus ist es das Reich Gottes, von dem er den Menschen erzählt und sie mitnimmt in ihrer Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit.

Und das Besondere dabei: Jesus sagt,  dieses Reich Gottes ist nicht irgendwo, weit weg von uns in der Ferne oder in der weiten Zukunft, sondern es beginnt mitten unter uns.

Es ist da, wo wir spüren, dass das Wesentliche des Lebens Geschenk ist und Vertrauen.

Es ist da, wo wir leben und arbeiten und mitten in den Herausforderungen des Alltags Augen haben für unsere Mitmenschen. Es ist da, wo wir uns öffnen für Frieden und Versöhnung.

Da bricht eine neue Dimension in unsre Welt ein, die uns das Gewohnte mit anderen Augen sehen lässt und wir gewinnen neue Kraft aus dem Vertrauen auf Gott.

Also keine endlose Suche nach Panama und dem unsagbaren Glück.

Sondern: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch!“.