Das Evangelische Wort

Sonntag, 26. 08. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Peter Pröglhöf, Fachinspektor für den evangelischen Religionsunterricht in Salzburg, Tirol und Vorarlberg

 

Es war eine Nachricht vom Glück im Unglück am vergangenen Montag: die Rettung der Passagiere und der Besatzung aus einem brennenden Flugzeug auf einem Flughafen in Japan. In nicht einmal 90 Sekunden ist das Flugzeug nach der Landung geräumt worden, unmittelbar darauf ist es explodiert.

 

Diese Meldung hat vielleicht bei manchen Menschen ihre schlimmsten Alpträume wachgerufen. Angeblich hat ein Viertel aller Passagiere Flugangst. Wenn man dann noch diejenigen hinzunimmt, die ohnehin nie in ein Flugzeug steigen, weil sie Angst vor dem Fliegen haben, dann ist das ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung. Ich selber fliege deswegen selten, weil ich versuche, umweltbewusst zu leben, aber wenn ich es dann tue – vielleicht ein Mal im Jahr für eine Urlaubsreise – genieße ich es, freue mich, wenn ich vielleicht einen Fensterplatz bekomme, lasse mich von netten Stewardessen oder Stewards verwöhnen, lese einen Reiseführer oder stelle mich mit einer ausgeteilten Zeitung auf die Heimkehr ein. Was Menschen mitmachen, die Flugangst haben – von schweißnassen Händen bis zu regelrechten Panikattacken – kann ich mir nur schwer vorstellen. Aber das Thema interessiert mich.

 

Ich habe gelesen, dass die Flugangst bei fast zwei Drittel der Betroffenen plötzlich und unerwartet aufgetreten ist, und nur ein Drittel einmal eine negative Erfahrung gemacht hat, zum Beispiel heftige Turbulenzen oder eine Notlandung. Woher kommt das, dass Menschen, die jeden Tag in aller Ruhe mit dem Auto unterwegs sind, plötzlich im Flugzeug Panik kriegen? Es ist doch allgemein bekannt, dass statistisch gesehen das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel ist. Ein Freund von mir, der mit Flugangst kämpft und beruflich immer wieder fliegen muss, hat sich einmal mit seinem kleinen Sohn darüber unterhalten. Und der hat dann gemeint: „Papa, du solltest vielleicht zum Piloten umschulen, das wäre für dich besser als nur mitfliegen.“ Und damit hat er, glaube ich, den Nagel auf den Kopf getroffen. Beim Fliegen erleben viele Menschen, dass sie selber gar nichts machen können. Beim Autofahren hat man das Lenkrad in der Hand oder kann als Beifahrer noch auf eine Gefahr aufmerksam machen, und selbst in der Eisenbahn gibt es eine Notbremse, aber beim Fliegen sitze ich einfach drin und muss mich darauf verlassen, dass das, was Piloten, Fluglotsen, Techniker und Computer machen, richtig ist. „Angst vor Kontrollverlust“ heißt das in der Fachsprache.

 

Ich finde das deswegen so spannend, weil uns das Fliegen etwas bewusst macht, was wir sonst oft vergessen oder nicht wahrhaben wollen: nämlich wie wenig wir in unserem Leben selber in der Hand haben. Freilich, ich kann mich gesund ernähren und Bewegung machen, aber habe ich es in der Hand, ob ich eine schlimme Krankheit bekomme? Freilich, ich kann mich bemühen, ein liebevoller Mensch zu sein, aber hatte ich es in der Hand, dass ich an jenem Tag genau an jenem Ort war, wo ich den Menschen getroffen habe, den ich liebe? In Wirklichkeit funktioniert unser ganzes Leben nur deshalb, weil wir uns auf andere verlassen und uns auch verlassen können: dass das Haus, in dem ich lebe, ordentlich gebaut ist, dass die Lebensmittel, die ich esse, gesund sind, dass die Kollegin, mit der ich zusammen arbeite, mir keine falschen Daten geliefert hat. Unser ganzes Leben beruht letztlich auf Vertrauen.

 

Damit müsste eigentlich allgemein verständlich werden, was gläubige Menschen damit meinen, wenn sie vom Glauben an Gott reden. Es geht genau um dieses Vertrauen, dass ich mich auf einen anderen verlasse. Nur ist dieser andere ein Pilot, der keine Fehler macht.

 

In einer Zeit, als es noch keine Flugzeuge gab, hat das ein Dichter im Psalm 139 einmal so formuliert:

„Führe ich gen Himmel, so bist du da;

bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.

Nähme ich Flügel der Morgenröte

und bliebe am äußersten Meer,

so würde auch dort deine Hand mich führen

und deine Rechte mich halten.“