Das Evangelische Wort

Sonntag, 16. 09. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendentin Luise Müller (Innsbruck)

 

 

Zum Glück hat er die Nachprüfung geschafft. Es waren anstrengende Sommerferien, für ihn und die Eltern. Aber jetzt ist die Zeit der Unsicherheit vorbei. Er geht wieder zur Schule, von acht bis zwei und oft von drei bis fünf. Geordnet zwar, aber gleichzeitig auch sehr fragwürdig. Wie wird es mit den LehrerInnen gehen, wie mit den Mitschülern? Wie werden sich die  Machtkämpfe darstellen, wie die Freundschaften? Wo wird sich Druck auswirken, wo wird es Ventile geben?

 

Da ist diese junge Frau. Endlich hat sie eine Stelle. 20 Stunden, halbtags, sodass sie genügend Zeit für Kinder und Mann behält. Aber dann erwartet man Überstunden von ihr. Unbezahlt natürlich. Und Fehler, so sagt ihre Vorgesetzte, Fehler dürfen nicht vorkommen. Diesem Druck hält sie nicht lange Stand. Sie kündigt und steht wieder ohne Arbeit da. Zum Glück gibt es keinerlei finanzielle Probleme. Aber an ihrem Selbstwertgefühl hinterlässt dieses Intermezzo kräftige blaue Flecken.

 

Und dann der junge Mann. Lange war er krank geschrieben. Jetzt ist er arbeitslos. Seine Frau ist Asylwerberin, sie darf nicht arbeiten, auch wenn sie sehr gerne möchte. Schon jetzt kommen sie kaum über die Runden. Wie wird es erst werden, wenn das Baby da ist?  Die Kreditrückzahlungen können sie in manchen Monaten nicht leisten. Eigentlich sind es lächerliche Summen. Aber für sie eine Hürde, die oft nicht zu überwinden ist und dadurch immer höher wird.

 

Sorgen. Dieses Gefühl, dem Leben ausgeliefert zu sein und nicht genügend selbst steuern zu können ist wahrscheinlich keinem von uns unbekannt. Für den Schüler sind es die Lehrer, für die Lehrer die Schulgesetze oder die anspruchsvollen Eltern, für den Arbeitnehmer ist es der Arbeitgeber, für den Hilfesuchenden sind es die Sozialgesetze, das Fremdenrecht oder was auch immer. Die Erfahrung, dass uns etwas behindert, am freien, selbstbestimmten Leben ist alltäglich. Es könnte so schön sein. Aber da ist die Angst vor den anderen, die Angst nicht zu genügen, die Angst, ins Bodenlose zu fallen, die simple Angst, nicht genügend Geld zu haben, die Raten, die Heizung, die Lebensmittel nicht bezahlen zu können. Da ist die Angst, keinen Ausweg zu finden.

Aus meiner Erfahrung weiß ich: es gibt Auswege. Ich kann zwar das Fremdenrecht nicht eigenhändig ändern, aber ich kann Menschen unterstützen, die sich für eine Änderung einsetzen. Ich kann Menschen beistehen, die zu wenig Geld zum Leben haben, auch finanziell. Ich kann mit der jungen Frau reden, kann sie stärken, ihr Rückgrad, ihren Widerspruchsgeist, kann die nächsten Schritte mit ihr durchgehen, sie nicht allein lassen. Und selbst für die Schule gibt es Strategien.

 

Glücklich der, der nicht in seinen Sorgen untergeht. Glücklich die, die weiß, wo Unterstützung wartet. Eine biblische Wahrheit sagt, dass durch Sorgen nichts gewonnen wird. Angst und Sorgen lähmen, anstatt zu stärken. Sich in der Angst zu vergraben, sich in Sorgen aufzureiben bindet Kraft, die besser eingesetzt werden kann.

 

Die Ruhe des Gebets schafft oft einen freien Kopf, mit dem der nächste Schritt gut geplant werden kann. Türen tun sich auf, mit denen man nie gerechnet hätte, Möglichkeiten sind da, die man nicht im Blickfeld hatte. Alle Sorgen werfet auf ihn, denn er sorgt für euch: das ist ein Rat, der mehrmals in der Bibel vorkommt. Seine Sorgen Gott anzuvertrauen, seine ganze Angst bei ihm loszuwerden, frei atmen zu können und neu durchzustarten ist eine Chance, die Christen und Christinnen immer wieder angeboten bekommen. An uns ist es, diese Chance zu nützen.