Das Evangelische Wort

Sonntag, 07. 10. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Dr. Jutta Henner (Wien)

 

 

Anfang September fand in Sibiu/Hermannstadt in Rumänien die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung statt. 2500 Delegierte aus den protestantischen, katholischen und orthodoxen Kirchen Europas haben sich dort versammelt:

Unter dem Leitwort „Das Licht Christi scheint auf alle“ erwartete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein dichtes Programm.

Bei mancher Enttäuschung über die schmerzlichen Trennungslinien zwischen den christlichen Konfessionen - was ist mir persönlich besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben von Sibiu? 

 

Sie mögen vielleicht überrascht sein: Am meisten bewegt hat mich das lebendige Zeugnis der Jugenddelegierten, der jungen Erwachsenen aus verschiedenen Ländern und verschiedenen christlichen Traditionen. Überall in der Stadt konnte man sie treffen, in kleinen Gruppen waren sie meist unterwegs. Die Jugenddelegierten mit ihrer frohen Ausstrahlung gingen offen und herzlich auf andere zu.

Die Jugenddelegierten gaben mir und vielen anderen ein Zeichen der Hoffnung für unsere Kirchen, für Europa und für die Welt! Junge Menschen, die fest im Glauben stehend, sich engagiert und kritisch Gedanken machen über kirchliche und gesellschaftliche Entwicklungen, die bereit sind, aus ihrem Glauben heraus Verantwortung zu übernehmen – das hat mich begeistert!

Zeichenhaft lebten die jungen Menschen Gemeinschaft, unübersehbar für die Delegierten der Versammlung wie die Einheimischen. Ja, das begeisterte und leidenschaftliche gemeinsame Beten, Feiern und Leben der jungen Menschen gab einen Vorgeschmack davon, was christliche Einheit sein kann. Nicht weniger stark war das Zeugnis des Dokumentes, das die Jugenddelegierten bei einem Treffen im Sommer in der Schweiz verabschiedet hatten.

 

Die Jugenddelegierten stellen dort – zu Recht, wie ich meine – fest, dass die jungen Christinnen und Christen nicht erst die Zukunft der Kirche sind, wie oft bemerkt wird, sondern vielmehr ihre Gegenwart! Sie bekennen sich zu vielfältigen Formen der Spiritualität und fordern ein glaubwürdiges Leben des Evangeliums von den christlichen Kirchen, schließlich, so formulierten sie, „bezeugen wir ja nicht die Machtdynamik unserer Kirchen, sondern Christus.“

 

Nicht nur, dass dieses Dokument der Jugenddelegierten offiziell zum Anhang des Schlussdokumentes der Versammlung von Sibiu erklärt wurde. Es wird sogar ausdrücklich betont, dass es die jungen Menschen waren, die diese Versammlung gedrängt haben, mutig das Evangelium zu leben.

 

Ja, so nehme ich von Sibiu das ermutigende Bild der jungen Menschen mit, die auf dem Hauptplatz bei der abschließenden Feier Einheimische und Delegierte an den Händen fassten, fröhlich sangen, zur Einheit aufriefen – und mit ihrer Begeisterung und Leidenschaft gleichsam mitrissen.

 

Meine Freude über die Jugend in Sibiu, ihr Suchen nach Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit, ihre Mahnung zu Entschiedenheit, hat mich an Menschen der Bibel denken lassen, die trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer Jugend von Gott berufen wurden – zum Zeugnis für andere. Ich denke an den Propheten Jeremia, dem Gott selbst bei seiner Berufung zuspricht: „Sag nicht „ich bin zu jung, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende.“ Ja, ich denke auch an den Mitarbeiter des Apostels Paulus, Timotheus, dem – wohl aus gegebenem Anlass im 1. Timotheusbrief zugesagt wird: „Niemand verachte dich wegen deiner Jugend, du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit“.

 

Ich habe es in Sibiu wieder einmal erlebt: Junge Christinnen und Christen leben ihren Glauben im Heute und Jetzt, sind bereit mitzumachen und Verantwortung zu übernehmen. Ich wünsche den jungen Delegierten in Sibiu, dass sie zurückgekehrt in ihre Heimatländer, Kirchen und Gemeinden, begeisterte und begeisternde Zeugen des Evangeliums sind, sich nicht abfinden mit Strukturen und Gewohnheiten, und so die Welt gestalten aus der verwandelnden Kraft des Glaubens. Ich wünsche ihnen aber vor allem, dass man ihre Stimme hört und ihren Visionen Raum gibt.