Das Evangelische Wort

Sonntag, 04. 11. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Susanne Baus (Eisenstadt)

 

  

Tage des Gedenkens liegen hinter Vielen von uns. Der Herbst und mit ihm das seinem Ende zugehende Kirchenjahr sind eine Zeit des Innehaltens, der Rückschau. Evangelische haben am 31. Oktober Luthers Thesenanschlag vor 490 Jahren gedacht, sich besonnen auf die Inhalte der Reformation, die für unser Kirchenverständnis bis heute Bedeutung haben.

 

Persönlich oft mehr wahrgenommen war jedoch bei den meisten von uns das Gedenken an Verstorbene zu Beginn des Monats. Der November ist eine Zeit der Erinnerung an Verstorbene, eine Zeit der Friedhofsbesuche und der öffentlichen Gedenken. Auch evangelische Christen begehen dieses Totengedenken, und sie tun dies in Österreich auch am Allerheiligentag. Für sie ist Jede und Jeder, der sich zu Gott gehörig weiß, ein Heiliger. Gott hat sich mit diesem Menschen in der Taufe verbunden, sein Name ist bei Gott tatsächlich auf ewig unvergessen.

 

Allerheiligen liegt nun schon hinter uns, der Besuch der Gräber meist auch, auf den Friedhöfen ist wieder Ruhe eingekehrt. Die ersten Lichter auf den Gräbern sind bereits verloschen. Die so genannten letzten Ruhestätten, die doch meist nur die vorletzten sind, genießen wieder ihre Ruhe. Und manches Grab auch scheint vergeblich auf einen Besucher gewartet zu haben.

 

Hinter uns liegen auch zahlreiche Gedenkfeiern an den Mahnmalen der Kriege des letzten Jahrhunderts. Auf vielen Steintafeln finden sich noch die Namen der Gefallenen. Aber wer kann die ganze Zahl der Opfer zählen, die diese Kriege gefordert haben? Und wie viele Menschen erinnern sich heute noch an die Gesichter, die mit diesen Namen verbunden sind? Immer steht dieses Gedenken aber im Dienst für das Leben. Denn wir gedenken all derer, die ihr Leben ließen für das Leben anderer - bis heute, auch wenn ihre Namen nicht auf der Tafel stehen.

 

So möchte ich meinen Grabrundgang fortsetzen über Allerheiligen hinaus. Denn ich erinnere mich immer noch dankbar an die Grabbesuche, die ich mit meinem Vater tätigte. Wir hatten uns geeinigt, dass es nicht an einem bestimmten Tag zu geschehen hätte, denn der hätte uns nicht gereicht. Vielmehr nutzten wir all die Wochenenden des Novembers dafür. Wenn wir gemeinsam die Gräber besuchten, lernte ich jedes Mal mehr von unserer Familiengeschichte kennen, lernte auch meinen Vater immer mehr kennen, lernte auch mich selbst immer mehr kennen.

 

Heute besuche ich die Gräber meiner Familie nicht mehr im November. Eher nutze ich die Urlaubszeiten dafür und oft sage ich dann beim Abschied ein leises Danke. Denn viel, viel nehme ich mit in meine Gegenwart. Viel, viel nehme ich aber auch mit für meine christliche Hoffnung.

 

Diese christliche Hoffnung lebt von der Ewigkeit vor Gott, lebt von einem Gott des Lebens und nicht des Todes. Deswegen ist jedes christliche Gedenken von der Zukunft geprägt. Es baut auf der Zuversicht auf, dass menschliches Sein seine Bleibe bei Gott hat. Allerheiligen, das bedeutet römisch-katholisch verstanden das Gedenken an die besonderen Heiligen, auch die, die nicht kirchlich anerkannt sind. Allerheiligen evangelisch verstanden, bedeutet die Besinnung darauf, dass Gott sich in seiner Geburt und Auferstehung zum Menschen bekannt hat. Damit ist jeder Mensch, der sich selbst mit Gott verbunden weiß, bei ihm zum Leben berufen, ein Heiliger.

 

Damit aber führt der November nicht einfach nur in die Vergangenheit zurück, sondern er ist geprägt von der Gewissheit des Lebens auch derer, die vor uns auf dem Weg waren. Damit ist jedes Gedenken an menschlich-historisch Vergangenes verbunden mit einem Bedenken des eigenen Lebens.

 

Damit auch ist jedes Gedenken verbunden mit der Hoffnung auf das Leben vor Gott. Vor ihm aber bleibt der Name jedes Menschen auf ewig in Erinnerung. Was für ein Trost und was für eine Hoffnung.