Das Evangelische Wort

Sonntag, 02. 12. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Elisabeth Kluge

 

 

Jedes Jahr aufs neue packt mich ab Mitte November dieses gewisse Kribbeln im Bauch – diese unbändige Freude über die kommende Advent- und Weihnachtszeit. In den Strassen Wiens erstrahlen die ersten Lichter der Weihnachtsdekoration. Die Weihnachtsmärkte locken mich mit ihrem Duft nach Punsch, gebrannten Mandeln und Lebkuchen. Auch in meiner Wohnung lasse ich zum 1. Advent die Weihnachtszeit Einzug halten. Schwibbögen kommen in die Fenster, der Adventkranz mit seinen vier Kerzen auf den Tisch. Meine Freude wird zusätzlich verstärkt: ich kann wieder all die schönen Adventlieder singen, die das evangelische Gesangbuch bietet. Lieder wie „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit“ oder „Wie soll ich Dich empfangen und wie begegn ich Dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?“ – diese Lieder jagen mir jedes Mal einen heiligen Schauer durch die Glieder. Sie erinnern mich daran, wie ich diese Lieder als kleines Kind in meiner Familie gesungen habe. Oft saß ich dabei mit ehrfürchtigen Augen vor den brennenden Kerzen des Adventskranzes. Damals schien mir diese Adventszeit wie eine unendlich lange, schöne Zeit voller Vorfreude und seliger Erwartung. Mit heißer Innbrunst habe ich bei den Proben zum Krippenspiel mal als Hirte und mal als Maria mitgewirkt. Schritt um Schritt habe ich so das Geschehen der Geburt Jesu in Bethlehem durchlebt.

 

Heute fehlt mir oft die Ruhe, die Zeit und die gelassene Vorbereitung auf die Ankunft Christi. Mein Alltag ist oft überfüllt mit Terminen. Viele gut gemeinte Weihnachtsfeiern können in Stress ausarten. Und ganz besonders genervt bin ich von den Stimmen, die Weihnachten gleich ganz und gar abschaffen wollen. Da wird „die ganze überflüssige kitschige Weihnachtsdekoration“ mies gemacht und „all dieser Geschenkefirlefanz“ angeprangert. Ja, sicher, denke ich – wenn Weihnachten nur noch ein Fest des explodierenden Konsums und ein Marathon der Weihnachtsfeiern ist – logisch, dass der Sinn von Christi Geburt damit verloren geht - wenn er nicht eh schon bei vielen verloren gegangen ist! Wo ich eigentlich nicht mehr daran interessiert bin, mit einem wohlüberlegten Geschenk jemandem Freude bereiten zu können - da ist Weihnachten wirklich überflüssig. Dann haben wir alle eins vergessen: dieses Dem-anderen-etwas-schenken erinnert daran, dass Gott in das Dunkel dieser Welt hinein seinen Sohn geschenkt hat. Wenn nun aber Weihnachten abgeschafft wird - was bleibt dann? Nichts, Leere. Sicherlich braucht es keine über und über illuminierten Straßenzüge im Advent. Sicher braucht es keine vor Geschenkangeboten berstenden Schaufenster, um die Ankunft Christi zu feiern. Aber wenn ich Weihnachten abschaffe, dann entziehe ich dieser Welt auch jeglichen Grund der Hoffnung und Veränderung. Wenn Christus nicht geboren wurde, was dann? Hoffnung und Veränderung - sie haben Einzug gehalten durch das Kommen Jesu Christi in diese Welt. Sie haben Einzug gehalten durch seine Botschaft, die diese Welt verändert hat.

 

Ich habe eine Sehnsucht. Diese selige Vorfreude in der Adventszeit als ich ein Kind war – sie wird nicht mehr kommen. Doch die Sehnsucht danach bleibt – und verändert sich. Heute sehne ich mich nach mehr Zeit im Advent – mehr Zeit, um einmal wieder ganz tief in die Frage eintauchen zu können: was heißt es für diese Welt, dass Gott seinen Sohn Mensch werden lässt. Was heißt es, dass er ihn in diese Welt hinein gibt als ein kleines unschuldiges und hilfsbedürftiges Kind? Ich wünsche mir mehr Zeit, um bei Kerzenschein, einer Tasse Tee und dem Lauschen von Weihnachtschorälen Ruhe und Erholung zu finden. Mehr Zeit, um all dies mit meiner Familie, Freunden und Bekannten teilen zu können. Und ich wünsche mir, dass die endlos tönende Kritik am Weihnachtsfest verstummt. Jedes Jahr habe ich die Hoffnung wieder, dass sich zumindest ein kleiner Teil dieser Sehnsüchte verwirklichen lässt. Eine gesegnete Adventszeit!