Das Evangelische Wort

Sonntag, 09. 12. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Dr. Christoph Weist

 

 

Der Anruf kam damals nur wenige Tage vor Weihnachten. Ein Freund teilte mir mit, er habe gerade von seiner Dienststelle den Blauen Brief bekommen. Als Grund für die Kündigung mit Jahresende wurde, kaum verschlüsselt, Unfähigkeit angegeben. Mein Freund habe seine Aufgabe nicht erfüllen können. Wie gesagt, das war im Advent, kurz vor dem Christfest. Der Arbeitgeber war übrigens eine kirchennahe Einrichtung.

 

In dem Gymnasium, in das ich zur Schule ging, wurde im Advent ein riesiger Adventkranz aufgehängt, große Leuchtsterne schmückten die sonst kahlen Gänge. Es sollte vorweihnachtliche Stimmung einkehren. Aber unbarmherzig fixierten die Lehrerinnen und Lehrer immer mehr Termine für Zettelarbeiten, Schularbeiten und Prüfungen, ungerührt setzte es schlechte Noten und mitunter rüde Ermahnungen. "Noch schnell vor Weihnachten" sollte erledigt sein, was man zuvor nicht geschafft hatte.

 

So wird aus dem trauten Weihnachtsfest schon im Vorfeld ein Drohfest. Natürlich gibt es tausend Zwänge, die dazu führen. Bei einer Kündigung sind entsprechende Fristen zu beachten, sonst gibt es rechtliche oder gar finanzielle Nachteile, - vor allem natürlich für den Arbeitgeber. Und auch Lehrer sind an Zeitläufe gebunden, wenn die Zeugnisnoten später hieb- und stichfest sein sollen, - vor allem natürlich gegenüber den Eltern.

 

Und doch frage ich mich jedes Jahr: Würde das nicht auch ganz anders gehen? Ein schaler Geschmack bleibt, der Eindruck einer tiefen Unwahrhaftigkeit. Ein hoher, ein sehr hoher Anspruch: Advent, die stille Zeit, die Bußzeit, die Zeit der Vorbereitung auf das große Fest der Liebe, - dieser Anspruch bleibt uneingelöst, ja manchmal verwandelt er sich in sein Gegenteil. Noch einmal: Würde das nicht auch ganz anders gehen?

 

Eine der härtesten Anfragen des jüdischen Glaubens  an den christlichen Glauben lautet: "Ihr sagt, der Messias sei gekommen. Aber was ist besser geworden in der Welt?"

 

Die Antwort darauf fällt sehr schwer. Das Einzige, was wohl dazu zu sagen wäre, ist: Es liegt nicht am Messias, dem von Gott in die Welt Gesandten. Es liegt nicht an dem in Armut geborenen Wanderprediger Jesus von Nazareth, dass so viele Hoffnungen unerfüllt bleiben und die Dinge nicht ganz anders laufen. Es liegt an denen, denen sich Gott zugewendet hat. Es liegt an den Menschen.

 

Denn der Wanderprediger ist sich nicht in Proklamationen und großen Versprechungen ergangen. Ganz konkret und sehr realistisch hat er seine Hörerinnen und Hörer aufgefordert, selbst anders zu werden. Sie sollten an dem mitarbeiten, was er das "Reich Gottes" nannte, und so ihren Teil dazu beizutragen, dass es in der Welt anders zugeht.

 

Das Ergebnis hat das Johannesevangelium in ein Bild gekleidet: "Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat´s nicht ergriffen." (Joh 1,5)

 

 Das ist die tröstliche Auskunft, dass der hohe Anspruch bestehen bleibt: Das Licht scheint. Es liegt an denen, die in diesen Wochen auf den Straßen, in den Häusern, in den Kirchen mit all den vertrauten Symbolen, mit Kerzen und Tannenzweigen, an diesen Anspruch erinnern, ihn umzusetzen. Ich glaube fest daran, dass man dann sehen wird: Es geht auch ganz anders. Trotz aller angeblichen Zwänge. Gott sei Dank.