Das Evangelische Wort

Sonntag, 30. 12. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Landessuperintendent

Thomas Hennefeld

Evangelische Kirche H. B.

 

 

 

„Wissen Sie, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht?“ Das fragte mich ein Sektierer, nachdem ich ihm unvorsichtigerweise meine Wohnungstür geöffnet hatte. Und er setzte gleich fort: „In der Bibel sind die endzeitlichen Katastrophen genau beschrieben. Sie müssen nur das Buch der Apokalypse lesen.“ Ich antwortete ihm ganz ruhig: „Aber wir sind doch schon mitten in der Apokalypse.“ Damit hatte mein eifernder Gesprächspartner nicht gerechnet.

Das sei aber nicht nur christlichen Fundamentalisten und Endzeitpropheten ins Stammbuch geschrieben, sondern auch manchen Zukunfts- und Trendforschern, die uns weiß machen wollen, dass alles halb so schlimm sei, und wir alle Menschheitsprobleme in den Griff bekommen könnten.

Was im letzten Buch der christlichen Bibel, der Offenbarung des Johannes, in grellen Farben ausgemalt wird, das ist leider Gottes für einen Teil der Menschheit die brutale Wirklichkeit: Krieg, Naturkatastrophen, Hunger und Pandemien.

 

Aber das Buch der Offenbarung spricht nicht nur vom Schrecken der Endzeit.

Da ist auch zu lesen: Offenbarung des Johannes 21,1.5

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.

Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!

Von Zukunft ist dieser Tage viel zu hören, wenn sich das alte Jahr dem Ende zuneigt.

Ob die Welt am 1. Jänner wirklich neu wird, ist wohl zu bezweifeln. Aber die Worte des Johannes sind ja auch nicht einer bürgerlichen Silvesterpredigt entnommen, sondern sollten der kleinen verfolgten Christenschar Trost und Halt bieten und sie ermutigen, sich zum auferstandenen Herrn zu bekennen.

 

Für Christinnen und Christen ist Zukunft immer mit Hoffnung verbunden. Damit ist nicht einfach Optimismus gemeint. Die Propheten der Bibel sind beispielhaft dafür, dass jemand voll Hoffnung und doch ein kritischer Geist sein kann. Gerade auf den Zustand und die Entwicklung unseres Planeten zu achten, bedeutet, ihn nicht aufzugeben. Wer diese Welt liebt, darf vor Unrecht, Lüge und Gewalt die Augen nicht verschließen.

Wir reden von Hoffnung, obwohl wir eine Gegenwart haben, von der viele Menschen nur träumen können. Und wir reden davon, als könnten wir den Wohlstand für uns allein bewahren.

Der römisch-katholische Theologe Johann Baptist Metz hat das schon in den 70er Jahren wie folgt formuliert:

„Wenn die Kirche in Europa die messianischen Worte vom Reich Gottes und der darin eröffneten Zukunft wiederholt, dann spricht sie vorzüglich zu Menschen, die bereits eine Zukunft haben. Sie bringen sozusagen ihre eigene Zukunft in die Kirche mit.“

Es ist gut, in die Zukunft zu schauen, von einem neuen Himmel und einer neuen Erde zu träumen. Wir dürfen von unserem Gott alles erwarten und erhoffen, und gleichzeitig sind wir aufgerufen, anderen Menschen Hoffnung zu schenken, vor allem jenen, die absolut keine Zukunftsperspektiven haben, damit apokalyptische Verhältnisse nicht in den allgemeinen Untergang münden.

Und siehe, es entsteht eine neue Erde, in der nicht mehr das Gesetz des Stärkeren gilt, sondern in der das Wohl des Nächsten an erster Stelle steht. Und es entsteht ein neuer Himmel, in dem Gott nicht absolutistisch thront, sondern in dem er ein großes Festmahl mit uns feiert, von dem niemand ausgeschlossen ist.

Ein neues Jahr, das bedeutet nicht automatisch Veränderung, aber es gibt uns die Hoffnung, dass etwas Neues entsteht, so wie wir jeden Tag aus der Hand Gottes neu geschenkt bekommen. Wir hoffen, nicht indem wir warten und abwarten, sondern indem wir uns aufmachen in der Gewissheit, dass Gott uns begleiten wird.