Das Evangelische Wort

Sonntag, 20. 01. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Dr. Christoph Weist

 

 

Auch ich würde mich wehren, wenn Jesus geschmäht würde. Wenn an Biertischen, mit Zeitungskarikaturen oder auf politischen Versammlungen Dinge über ihn behauptet würden, die die einfachsten historischen Tatsachen auf den Kopf stellen oder leugnen. Oder die das, was er wollte und bewirkte, verzerren und ins Lächerliche ziehen.

 

Natürlich würde ich nicht Fahnen verbrennen oder gar Todesdrohungen ausstoßen. Ich würde aber in Wort und Schrift heftig dagegen protestieren, dass das, was mir und vielen anderen zutiefst wichtig ist und mein Leben bestimmt, nämlich der Mann aus Nazareth, der für mich an Gottes Stelle steht, - dass dieser Mann beschimpft, verhöhnt und heruntergemacht wird.

 

Dabei ist mir klar: Das Heilige, d.h. Gott selbst, hat es nicht nötig, von Menschen  verteidigt zu werden. Um Gott und um den, der ihn in der Welt vertritt, muss man sich keine Sorgen machen. Sorgen machen muss man sich um die Menschen, die in ihren Glauben, sei es der christliche oder ein anderer, ihre Hoffnung setzen, und die sich durch offenkundig böswillige Angriffe im Innersten verletzt fühlen. Sie haben es nötig, verteidigt zu werden. Und sie haben das Recht, sich zur Wehr zu setzen.

 

Christinnen und Christen haben damit eine lange Erfahrung. Bereits in der Frühzeit ihres Glaubens gab es solche Angriffe gegen sie, ganz in der Preislage, wie wir sie heute gegen die Anhängerinnen und Anhänger des Islam gerichtet hören. So gab es damals einen Nichtchristen mit Namen Celsus, immerhin ein Philosoph, der den neuen Glauben auch wie einen Tsunami über das römische Reich hereinbrechen sah und die römische "Leitkultur" retten wollte. Über die Gruppe der Christinnen und Christen und über Jesus hat er öffentlich gehöhnt: "Überall findet man dort das Holz des Lebens und die Auferstehung des Fleisches vom Holz, weil, wie ich glaube, ihr Lehrer an ein Kreuz genagelt und von  Beruf Zimmermann war."

 

Solche Verächtlichmachungen führten schnell zu Pogromen und Verfolgungen der Geschmähten und zu Blutvergießen. Im Spiel waren dabei durchaus massive politische Interessen. Und schon damals gab es Stimmen, die sich das nicht gefallen  ließen. Es waren kluge Köpfe, die argumentierten und diskutierten und sogar offizielle Eingaben an die Regierung machten. Sie nannten Unsinn Unsinn und Hass Hass, und sie legten damit den Grundstein dafür, was man die christliche Theologie nennt.

 

Doch sollte sich heute niemand täuschen: Die, die sich jetzt unter lautem Gejohle ihrer Parteigänger gegen die Religion des Islam als Schützer und Wahrer eines christlichen Erbes Europas aufspielen, sind nicht mutige Verteidiger des christlichen Glaubens. Auch geht es ihnen keineswegs darum, über die Wie-du-mir-so-ich-dir-Schiene Zwänge aufzubauen, um in fremden Ländern die Möglichkeit zu schaffen, ungehindert Kirchen zu errichten. Es sind religiös Gleichgültige, die die christliche Tradition für ihre politischen Ziele instrumentalisieren. Und "politisch" heißt -  zumindest in Österreich - immer "macht-politisch".

 

Auch ich würde mich wehren, wenn Jesus geschmäht würde. Darum kann ich alle Angehörigen anderer Religionen verstehen, die sich über Beschimpfungen ihres Glaubens und  seines Verkünders empören. Und ich freue mich, dass meine Evangelische Kirche an ihre Seite getreten ist und rechtliche Schritte eingeleitet hat. Denn es gibt keine Ausrede: Solche Beschimpfungen sind persönlich gemeint und treffen Personen.

 

Im Matthäusevangelium sagt Jesus tröstend: "Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen." (Mt 5,11)

 

Ja, sie lügen, wenn auch über eine andere Religion, den Islam. Das tut auch den Anhängern des Zimmermannssohnes weh. Und wenn sie hören, es werde nach Lage der Dinge in unserem Land  voraussichtlich noch schlimmer werden, beginnen sie sich zu fragen: Heute der Islam - morgen mein Glaube?