Das Evangelische Wort

Sonntag, 17. 02. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Susanne Baus (Eisenstadt)

 

 

Ein besonderes Grüß Gott an diesem frühen Morgen des Sonntags „Reminiscere“. Erinnern, Erinnerung ist das Thema dieses Sonntags der Passionszeit. Erinnerung, das ist ein Privileg in unserer nach vorne gerichteten Zeit, denn sie erfordert ein Innehalten. Dieser Sonntag gewährt das, nicht nur die eigene, ganz persönliche Erinnerung, sondern auch die aktive Erinnerung, nämlich unser Erinnern Gottes.

 

Wenn sich Menschen erinnern, dann erinnern sie sich zumeist des Negativen. Sie erinnern sich der persönlichen oder auch der historisch bedeutvollen Ereignisse und Geschehnisse, die ihre Lebenswege durchkreuzten. Menschlich verursachte Katastrophen schufen so neue Epochen. Die von Menschenhand verursachten Weltkriege sind heute noch Teil unserer öffentlichen Gedenken, doch eher rufen sie noch auf, die menschliche Schuld dabei zu sehen und die Opfer Gottes Gnade anzuvertrauen. Bei Gedenken an damals reden wir nicht davon, dass diese Geschehnisse die Welt verändert hätten, denn wir ahnen, dass sie leider von Menschen verursacht waren und damit Ergebnis der allzu menschlichen Welt sind.

 

Trifft ein Unglück aber heute das Weltgeschehen, dann wird es anders behandelt. Es hat dann gleich die Welt verändert, wie der 11. September 2001, und letztlich werden diese Unglücke Gott zur Last gelegt, nach dem Motto: Wie kann Gott das zulassen? Je mehr diese Unglücke von Menschen verursacht wurden, ob sie nun welche Gesellschaft auch immer veränderten oder das ganz eigene persönliche Leben, desto intensiver wurde die Klage gegen Gott.

 

Der heutige Sonntag „Reminiscere“ weist mit den biblischen Texten der evangelischen Kirche auf eine andere Sichtweise der Erinnerung und der Verantwortung. Diese Texte stellen Gott nicht auf die Anklagebank, sie versuchen ihn vielmehr zu erinnern und damit in seine selbst gewählte Verantwortung zu rufen – seine grundlose Liebe zum Menschen. Und sie versuchen den Menschen daran zu erinnern, dass Gott aus Liebe zum Menschen ihm die Freiheit ließ zum Leben. In dieser Freiheit aber wurde der Mensch gerade bezüglich des ihm Anvertrauten immer wieder schuldig. Und immer wieder in der Geschichte hat der Mensch die Boten, die Gott ihm zur Warnung schickte, zurückgewiesen, ja vernichtet. Die Propheten der hebräischen Bibel versuchte man mundtot zu machen; die Warner innerhalb der christlichen Kirche hat diese ausgewiesen; die aus christlichem Gewissen handelnden Widerstandskämpfer gegen ein widergöttliches System des 20. Jh. hat man hingerichtet.

 

Und wieder machen die Texte der evangelischen Kirche an diesem Sonntag eines deutlich: Würde Gott aus menschlichem Gerechtigkeitsverständnis heraus handeln, müsste er uns längst unsere Freiheit nehmen. Stattdessen begibt er sich selbst an die Seite der Misshandelten, zeigt ihnen seine Nähe, gibt ihnen seine Kraft.  Das ist die weiterführende Botschaft dieses Sonntages „Reminiscere“: Erinnert euch selbst an die Nähe Gottes, der sich am Karfreitag dem Misshandelten zur Seite gestellt hat. Erinnert euch an die österliche Hoffnung, die daraus erwuchs, dass der Mensch nicht das letzte Wort hat.

 

Gott hat das letzte Wort und das lautet auf Ostern aus der Erinnerung der Geschichte heraus zugehend: Auferstehung und Leben. Sonntag „Reminiscere“: Erinnern wir uns doch wieder an Gottes Wohltaten in unserem Leben. Erinnern wir aber auch Gott an seine Liebe zu uns Menschen. Denn die Welt braucht diese und wir brauchen Gottes Kraft, um diese für uns und unsere Umgebung lebendig sein zu lassen.