Das Evangelische Wort

Sonntag, 30. 03. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfrn. Mag. Elisabeth Kluge

 

 

Als Kind Gottes gehöre ich in den Himmel. In den Himmel? Meistens assoziiert man damit den Tod. Wenn jemand stirbt, dann tröstet man sich damit, dass er in den Himmel kommt und dann bei Gott ist. Aber hier ist dieses „in den Himmel“ so gemeint, wie es beim Propheten Jesaja heißt: „Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“ Mein Glaube an Gott, mein Vertrauen auf ihn, das soll mich so stark und voll Kraft sein lassen wie ein Adler. Ein Adler, der voll Pracht seine großen Flügel ausbreitet und sich in den Wind schwingt, um aufzusteigen in die Höhen des Himmels.

 

Aber seien wir ehrlich! Fühle ich mich mit meinem Glauben und in meinem Leben nicht eher oft so – ich bin matt, ich bin müde, ich bin erschöpft. Es kann vieles in einem Leben geben, was deprimiert, was zurückwirft, die Hoffnung und jegliche Kraft raubt. Klar, so schaut Leben eben auch oft aus. Es ist nicht nur ein Zuckerschlecken. Gerade wenn man beruflich oder familiär Schicksalsschläge verkraften muss, verzweifelt man nicht selten an seinem Glauben und fragt, wo dieser Gott denn noch sein soll, von dem da die Rede ist. Solche Verzweiflung muss man ernst nehmen. Aber es muss eben nicht immer bei dieser Depression bleiben. Ich kann auch wieder heraus aus ihr.

 

Für die israelitischen Exilantinnen und Exilanten, zu denen Jesaja im 5. Jahrhundert vor Christus diese Worte vom Harren auf den Herrn spricht, war es damals eine sehr schwierige Situation. Sie befanden sich noch immer in der Fremde, im Exil in Babylon. Ihre Klage war zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden. Warum hilft Gott seinem Volk Israel denn nicht? Müssen sie immer und ewig im Exil bleiben, in der Fremde und anderen untertan? Ihre Klage hatten die Israeliten schon so sehr vertieft, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnerten, dass es einmal anders war. Sie hatten die Hoffnung verloren. Sie verzweifelten und verzagten an der Wirksamkeit Gottes in ihrer Welt.

 

Dagegen erhebt der Prophet Jesaja Einspruch. Er erhebt Einspruch gegen die verfestigte Hoffnungslosigkeit seines Volkes. Er verweist auf Gott als den Schöpfer dieser Erde: „Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt.“ So versucht Jesaja sein Volk aus der depressiven Lethargie herauszureißen. Er erinnert an Gottes unbegrenzte Lebensenergie und an seine unendliche Weisheit. Gott ist doch derjenige, der die Welt auch jetzt noch erhält. Und die Worte Jesajas versprechen denen, die auf Gott vertrauen, neue Kraft und neue Energie, so „dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler“. Was könnte schöner sein? Was könnte wunderbarer sein? Und das gibt Kraft. Die Erinnerung an gute Zeiten, das Sich-Besinnen darauf – ja, das hilft in Durststrecken. Und so ist es eben auch mit diesem Glauben an Gott.

 

Quasimodogeniti, der Name des heutigen und ersten Sonntags nach dem Osterfest, heißt soviel wie „wie die kleinen Kinder“. Noch klingt das fröhliche „Halleluja“ aus der Osternacht in meinem Ohr, noch erfüllt mich die Freude über die Auferstehung wie ein kleines Kind. Noch habe ich diesen Aufbruch durch das Osterfest nach der Passionszeit in meinem Herzen. Doch dieses Aufbruchsgefühl, diese Freude und das Wissen um die Zusage der Auferstehung – sie müssen sich jetzt in meinem Alltag wieder bewähren – und das besonders in den Zeiten, wo mich Kleingläubigkeit und Mutlosigkeit zu befallen drohen.

 

„Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler…“ - die Worte Jesajas aber und die Aufbruchsstimmung nach dem Osterfest, sie erinnern mich daran, dass an Gott zu glauben auch heißt: Immer wieder versuchen, neu abzuheben. Jeden Tag neu die Flügel ausbreiten und sich in das Leben hinein wagen. Frei und offen sein für das, was Gott mit mir vorhat. Martin Luther hat einmal geschrieben: „Das christliche Leben ist nicht Frommsein, sondern Frommwerden, nicht Gesundsein, sondern Gesundwerden, nicht Sein, sondern Werden, nicht Ruhe, sondern Übung.“ Haben Sie heute schon versucht, zu fliegen?