Das Evangelische Wort

Sonntag, 13. 04. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Renate Moshammer, Pörtschach, Kärnten

 

 

Jetzt flattern sie wieder ins Haus, die Werbungen für Schlankheitsmittel, Diäten und Figur–Institute. Wahre Wunder werden einem versprochen, belegt mit den ewig gleichen Vorher–Nachher–Fotos, deren Zauber ich mich nicht ganz entziehen kann.

 

Außerdem geht es nicht nur um ein paar Kilo weniger. Nein, die Mittelchen, Tipps und Tricks für einen schönen Körper machen auch vor der Psyche nicht Halt. Vorher ein Mauerblümchen, nachher im Mittelpunkt. Vorher die Hemmungen, die Angst (nicht nur vorm Fotografen), nachher Selbstvertrauen und Erfolg – beruflich und privat. Wer kann  so ein Angebot ausschlagen? Wer möchte nicht manchmal – so von heute auf morgen oder wenigstens in acht Wochen – aus seiner alten Haut herausfahren und ein rundum erneuerter, ein neuer Mensch werden? 

 

Werbeversprechungen haben allerdings ihre Tücken.

So schreibt schon Kristiane Allert-Wybranietz in einem Gedicht:

 

Mein Einkaufsnetz muss Löcher haben

 

Im Supermarkt kaufte ich
Zahnpasta, Zigaretten, Brot,
Seife, Weinbrand, Parfum,
Haushaltstücher, Marmelade,
Tiefkühlgerichte, Badezusätze,
Kekse und noch allerlei ...

 

Zuhause suchte ich
zwischen Verpackungen
und Produkten
nach der Freiheit,
der Frische,
nach den Abenteuern
und der Liebe
und all den anderen
Stimmungen und Gefühlen,
die man mir
(nach Erwerb dieser Dinge)
versprochen hatte.

 

Als ich dann den Sekt für Verliebte
alleine trank,
abenteuerduftende Zigaretten

vorm TV-Western rauchte,
als sich niemand sofort in mich verliebte,
obwohl ich das betörendste Parfum trug
(so stand es auf der Packung),
und als ich feststellte, dass die
Haushaltstücher und die Putzmittel
die Arbeit doch nicht von allein machten,
sagte ich mir:

 

MEIN EINKAUFSNETZ MUSS LÖCHER HABEN

 

Mein Einkaufsnetz muss Löcher haben. Und auch die wunderbarste Diät nimmt mir höchstens die Fettpölsterchen an den Problemzonen, aber nicht meine Vergangenheit. Sie kann vielleicht meine Haut straffen. Aber die tiefen Narben auf der Seele bleiben. Auch mit einer schlankeren Taille kann ich nicht weiter in dem Betrieb arbeiten, bei dem die Verschlankung der Strukturen zu einem Entlassungsschub geführt hat.

 

Der versprochene „neue Mensch“ ist so ein Bild unserer Zeit – oberflächlich, weil nur die Oberfläche, die Fassade zählt. „Doch wie’s da drin aussieht“, heißt es schon bei Franz Lehár, „wie´s da drin aussieht, geht niemand was an“.

 

Ein neues Menschsein kann sich aber nicht nur an der Oberfläche abspielen. Ein neues Menschsein muss aus der Tiefe kommen. Von dort, wo meine Sehnsucht ihren Platz hat. Von dort, wo ich mir selbst begegnen kann – selbst auf die Gefahr hin, dass ich nicht nur Perfektion vorfinde.

 

Der Apostel Paulus zeigt einen Weg zu diesem neuen Menschsein, wenn er schreibt:

 

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;

das Alte ist vergangen,

siehe, Neues ist geworden.           

2. Kor. 5,17

 

Das ist es doch, was wir so sehr ersehnen – eine neue Kreatur, eine neue Schöpfung. Durch und durch. Paulus sagt, „in Christus“ können wir das sein. Für mich bedeutet das, dass ich meine Vergangenheit und meine Fehler nicht länger hinter einer hübschen Fassade der Ehrbarkeit und der Perfektion verstecken muss. Im Glauben an Christus kann ich mich so sehen wie ich bin. Das mag manchmal genauso anstrengend sein, wie eine Diät durchzuhalten. Aber wenn es mir gelingt, dann kann ich meine Vergangenheit Vergangenheit sein lassen. Sie bindet mich nicht mehr. Das was vorher war, brauche ich nicht ins Nachher mitnehmen. Ich kann Neues beginnen.

 

Gut möglich, dass meine Waage mir dann trotzdem ein paar Kilo zuviel anzeigt. Gut möglich, dass mein Spiegelbild nicht meinem Idealbild entspricht. Aber eines weiß ich: Dass ich dann nicht ein Zerrbild meiner Seele hinter meinem perfekten Outfit verstecken muss.