Das Evangelische Wort

Sonntag, 11. 05. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Gundula Hendrich (Kitzbühel, Tirol)

 

 

Hertha liebt Pfingstrosen – die rosafarbig duftenden genauso wie die dunkelroten. Hauptsache sie sind gefüllt und sehen wuschelig aus. Und natürlich hätte sie gern heute, am Pfingstsonntagmorgen, leicht aufgeblühte leuchtende Pfingstrosen in einer Glasvase auf dem Tisch stehen. Aber die halten sich genauso wenig an den Kalender wie die Maiglöckchen an den ersten Mai. Es ist ja auch noch reichlich früh im Jahr.

 

Pfingsten gehört nämlich zu den beweglichen Festen. Fest steht nur, dass es sieben Wochen nach Ostern stattfindet und das wiederum fällt genau auf den ersten  Sonntag nach dem Frühlingsvollmond.

Hertha schmunzelt. Die „Beweglichkeit“ dieses Festes passt für sie gut zu diesem heiteren und ausgelassenen Fest, das die Menschen begeistert.

Kein Wunder, denn es geht ja ebenso wie das Pessachfest, an dem wir Christen Ostern feiern auf ein ausgelassenes Erntedankfest zurück, um genau zu sein: Auf das Fest der ersten Weizenernte, Schawuot.

 

Von einer wunderschönen solidarischen und erotischen Begegnung bei einer solchen Weizenernte und dem anschließenden Erntefest erzählt etwa das biblische Buch Ruth, das bis heute an Schawuot in den Synagogen gelesen wird. Die andere Seite dieses Festes ist die Freude über Gottes Begegnung mit Mose auf dem Berg Sinai – Feuer, Blitz und Donner begleiten diese Begegnung. Und genau aus diesem Anlass, also zum Schawuotfest sieben Wochen nach Ostern, genau an diesem Festtag versammelten sich damals die Freunde und Freundinnen Jesu in Jerusalem. Traurig waren sie, als Hinterbliebene trafen sie sich – und dann kam alles ganz anders.

 

Hertha liebt diese Wundererzählung vom „Pfingstwunder“. Sie mag das Brausen und den Sturm, mit dem von der Ankunft des Heiligen Geistes erzählt wird. Und sie liebt die genaue Schilderung, wie sich dieser Heilige Geist als Feuerzunge verteilt und dann über jeden der Freunde setzt.

 

Als Kind war ihr dabei völlig klar, wie das stattgefunden hat, weil sie genau zuschaute, wenn der Großvater etwa bei einer Feuerzangenbowle die Flämmchen über die bereitgestellten Puddingschälchen goss.

 

Dazu passte für sie gut, dass alle damals in Jerusalem ganz erregt waren und durcheinander sprachen und dann auch noch in so vielen teils unbekannten Sprachen, dass einige damals dachten, die Freunde Jesu seien beschwippst.

 

Das also war die Geburtsstunde der Kirche – fein eingebettet in die jüdische Tradition und Erfahrungswelt einer Begegnung mit Gott, der seinem Volk in der Wüstenzeit als Feuer- und Rauchsäule den Weg zeigte.

Wie damals brauchen die Menschen Zeichen, dass sie nicht von Gott verlassen sind und da geschieht es – Gottes Geist nimmt sich wirklich für alle sichtbar der Menschen an.

Wenn diese Stelle vorgelesen wird, hält Hertha kurz die Luft an. Ganz still und ehrfurchtsvoll leise stellt sie sich diesen Moment vor, ja, und dann zeigen sich die Auswirkungen des Heiligen Geistes bei den Freunden Jesu – „sie beginnen lauthals in fremden Sprachen zu reden und zwar so, dass sie auf einmal alle verstehen...“. Und Hertha ist sich sicher, dass neben allem Reden ab und zu auch ein fröhliches Gelächter zu hören war.

 

Hertha ist sehr dankbar, dass die Kirche jedes Jahr ihren Geburtstag feiert und sich dabei daran erinnert, wie wichtig es ist, verständlich zu reden, so dass es wirklich alle verstehen. Dass Gott nämlich da ist, und uns gerade in den „wüsten“ Zeiten unseres Lebens seinen Heiligen Geist schickt. Dieser Heilige Geist weht bekanntlich, wo und wann er will, er ist nicht verfügbar und genauso wie die Pfingstrosen nicht unbedingt pünktlich genau in dem Augenblick zur Stelle, wenn wir ihn herbeizitieren wollen.

Aber er ist da. Funkelnd und sprühend als göttliche Kraft, die uns immer wieder aus der Angst herausholt und lebendig macht.