Das Evangelische Wort

Sonntag, 18. 05. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Gabriele Lang-Czedik (Wien)

 

 

Um diese Jahreszeit feiern wir als Familien, Freunde, Schulen, Firmen, Gemeinden  vielfältige Feste: Sommer-Feste, Matura-Feiern, Firmen-Feste, demnächst als Volk auch die Fußball-Europa-Meisterschaft im großen Stil…

 

So modern diese Feste wirken, so sehr haben sie ihre Ursprünge im Grunde in den Anfängen der Menschheit: Immer schon haben Menschen miteinander in unterschiedlichen Festen das Leben gefeiert: Mit Trommeln und Tänzen, mit Essen und Trinken, mit Gebeten und Kulten, mit Verkleidungen und Geschenken - als Kinder und Erwachsene, als Junge und Alte miteinander.

 

So spielen auch heute noch in allen Religionen Feste eine wichtige Rolle. Als Christen haben wir erst vor einer Woche Pfingsten gefeiert als Fest des Heiligen Geistes und zugleich als Geburtstagsfest der Kirche. Im Judentum wird in wenigen Wochen „Schawout“ gefeiert als Fest der Erstlingsfrüchte und zugleich als Fest der Gesetzes-Übergabe Gottes an sein Volk.

 

In den Großen Festen der Religionen erleben die Gläubigen die wesentlichen Glaubens-Inhalte gemeinsam, erinnern sich an ihre Bedeutung und vollziehen sie ganzheitlich nach.

 

Feste als archaische Feiern des Lebens,

Feste als leiblich nachvollzogene Glaubensinhalte,

Feste auch als Übergangsriten im eigenen Leben…

- wesentliche Gründe, sie miteinander zu feiern..

 

Und doch: Warum feiern wir Christen im Tiefsten? Das Dasein an sich stellt sich uns ja keineswegs immer rosig dar, im Gegenteil: Wir brauchen uns nur die Weltnachrichten anzuschauen und schon wird uns klar, dass unsere Welt nicht „die beste aller möglichen Welten“ ist, wie Leibniz es im 17. Jahrhundert noch sonnig und etwas naiv gemeint hatte. Ein realistischer Blick auf unsere Erde zeigt uns da ganz Anderes: Tödliche Stürme und Überschwemmungen in Burma–Myanmar, Erdbeben in China, Inzest-Keller in Österreich, um nur einiges Aktuelle zu nennen…

 

Wie sollen wir uns da als Christen verhalten? Engagierte sehen unsere Aufgabe ganz im Kämpfen für eine bessere Welt. Kein fröhliches Feiern, bevor nicht allen Menschen Gerechtigkeit zugekommen ist. Andere, stillere Gemüter sehen jeden Einsatz als vergebens an, da er immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Nur Gott könne die Menschen retten. Unsere Aufgabe sei ein weitgehender Rückzug aus der Welt - in Gebet für die Opfer und für uns selbst.

 

Beide Thesen sind gewiss achtbar: Kampf oder Meditation, beide aber irgendwie reduziert und trocken. So hat Roger Schutz schon in den 70er-Jahren als Synthese das „Fest ohne Ende“ in Kampf und Kontemplation ausgerufen.

Kampf und Meditation… uns einsetzen - und zugleich dankbar wissen: Den großen Kampf hat Gott für alle Menschen schon durchgefochten. Im Kreuz Christi ist die tödliche Wirklichkeit für immer durchkreuzt worden, hat ihre Macht verloren, ist aufgebrochen zu einer leuchtenden Hoffnung hin: Hoffnung auf Leben für alle Menschen, auf Liebe und Achtung vor jeder und jedem, auf Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Das sind seit Jesu Auferstehung die gültigen Parameter, die wir jetzt schon leben und feiern dürfen.

 

Mit Jürgen Moltmann und Harvey Cox können wir sagen „Wir Christen sind die ersten Freigelassenen der Schöpfung“. Und das wäre doch zu feiern! – In einem Fest, das die Paradoxie des „Schon und Noch-Nicht“ aushält, weil das Fest selbst schon etwas vom Himmel vorweg nimmt.

 

Ein christliches Fest lebt jetzt schon, was im Reich Gottes gilt: Es ist offen für alle, starre Rollen gelten nicht mehr, das Brot wird geteilt und die Freude macht trunken, der Respekt voreinander und das gemeinsame Lachen umarmen sich, zum Einsatz für die Welt wird ermutigt und die Erlösung zugleich schon gefeiert!

 

In dieser Paradoxie ist das Fest für uns der Ort, wo Himmel und Erde sich berühren.

Auf viele solcher Feste in diesen Wochen freue ich mich…