Das Evangelische Wort

Sonntag, 08. 06. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Rainer Gottas, Johanneskirche,  Klagenfurt

 

 

Grüner Rasen, längliche Rechtecke durch Linien begrenzt, mit einem Kreis und einem Punkt in der Mitte. So liegen sie da, die Plätze, auf denen die Wahrheit ist.

 

Sollten zu einem nicht zu fernen Zeitpunkt außerirdische Wesen die Freundlichkeit besitzen, den Kontakt zu uns zu suchen, werden sie sich fragen, was es mit diesen Plätzen auf sich hat. Dienen sie der Religionsausübung? Sind es offene sakrale Räume, in denen die Leere angebetet wird?

 

Nein sie dienen einem Spiel, vielleicht dem größten Spiel der Welt: Fußball. Manchmal ist Fußball mehr als ein Spiel, dann wieder doch nur ein Spiel, denn beim Fußball wird der Unterschied zwischen Ernst und Spaß unterlaufen: Zum einen ist das Spiel von heiligem Ernst erfüllt - schauen sie sich einmal Kinder an, wenn sie auf dem heiligen Rasen einem Ball nachlaufen, und erst erwachsene Männer! - zum anderen kann sich auch ein Heidenspaß einstellen.

 

Die Ordnung des normalen, des ernsten Lebens wird spielend außer Kraft gesetzt und zugleich wird das Spiel mit heftigem Einsatz geführt. Oft so, als ginge es um die Meisterschaft Europas. Wenn die Entscheidung auf der Kippe steht, wächst die Spannung bei Spielern und Zuschauern, zwischendurch sind sie hingerissen durch die aufblitzende Schönheit unerwarteter Spielzüge – fast wie im Rausch.

 

Bisweilen aber kippt das Spiel in bodenlose Gemeinheit ab: Denken sie an die Provokation Marco Materazzis und den darauffolgenden spielentscheidenden Kopfstoß von Zinedine Zidane beim Finale der WM 2006.

 

Der Weg von der Schönheit des Spiels zur Brutalität kann sehr kurz sein - doch immer regiert die Liebe zum Ball. Und fällt ein Tor, eröffnet dies eine andere Welt - ein magischer Moment, Raum und Zeit werden überwunden. Wenn sich der Ball den richtigen Spieler sucht, dann finden Leidenschaft und Lust zueinander, ja – Lust und Mühe sind keine Gegensätze mehr. Darin liegt das faszinierende Geheimnis dieser Ballsportart namens Fußball.

 

Fehlen allerdings Leichtigkeit und heilige Lust, ist die Seele des Spiels verletzt: dann z.B., wenn die Geschäftemacherei im Vordergrund steht, wenn Spieler nicht mehr als einmalige Menschen gesehen werden, sondern nur mehr ihr Transferwert im Vordergrund steht (das Angebot von Real für Manchesters Cristiano Ronaldo steht angeblich bei € 80 Mio), dort, wo durch Verletzungen der Mensch plötzlich wertlos wird. Auch diese Begleiterscheinungen machen Fußball zu einem Bild für das Leben in seiner Vielfältigkeit.

 

Der Germanist und bekennende Rapid-Fan Wendelin Schmidt-Dengler hat das vor wenigen Tagen im Radio so ausgedrückt: „Fußball ist eine ideale Seinsmetapher“: für Sieg und Niederlage, Hoffnung und Enttäuschung, Heldentum und Tragik, für Lustspiel und Tragödie. Weiters finden wir: List und Tücke, Zufall und Können, Leidenschaft und Neid, Gemeinschaft und Freude. Und das Spiel ist unkalkulierbar: Einmal etwas, das nicht berechenbar ist. Der Ausgang ist offen - wie im Leben eben.

 

Und zugleich ist Fußball immer auch überschätzt: Es geht nicht um Leben und Tod, weil Fußball eben ein Spiel ist und bleibt. Papst Johannes Paul II. hat einmal launisch gesagt: „Fußball ist die wichtigste unwichtigste Sache der Welt.“ Das ist auch heute - einen Tag nach dem Anpfiff der Euro 08 – so. Denn bei allen Fußballgöttern, bei Fan-„Gemeinden“ und „heiligem Rasen“ oder „Religionen“ wie Rapid bleibt eines festzuhalten: „Gott - ist vereinsfrei.“

 

Beim Spiel des Lebens dürfen alle mitspielen. Da fliegt niemand aus dem Kader. Da gibt es keine Ersatzbank. In der Mannschafts-Aufstellung Gottes steht jeder und jede – ohne Voraussetzung. Da hat jeder sein Leiberl - heute und morgen und auch nach der Europameisterschaft.