Das Evangelische Wort

Sonntag, 29. 06. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Barbara Knittel

 

 

„So seid ihr nun nicht mehr Fremde und Ausländer. Sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph  2/ 19)

 

Heute ist der letzte und große Tag dieser europäischen Fußballmeisterschaft und den möchte auch ich an dieser Stelle nicht einfach vorbeigehen lassen. In den letzten Wochen war ich zwar eher ein Zaungast, das heißt, ich habe mir selten ein Match angesehen. Trotzdem war auch ich immer wieder begeistert oder auch enttäuscht. Eine Freundin hat gestern gemeint: „Ich kenne mich nicht wieder, ich lache und weine und schreie mit, wenn ich mir ein Match ansehe, und vor allem kommen Gefühle aus der untersten Schublade, die ich bei mir gar nicht vermutet habe.“ Gemeint hat sie, wenn sie ganz intuitiv Partei ergriffen hat -  z. B. für Spanien und Holland oder gegen die Türkei oder Kroatien. Man könnte das so erklären dass der Kontakt zu Türken und Kroaten hier in Österreich hautnah und manchmal auch konfliktreich ist und es zu den Holländern und Spaniern eher Urlaubskontakte gibt. Aber ganz so einfach ist das nicht. Bei mir selbst habe ich nach dem Spiel Kroatien gegen Österreich bemerkt, wie enttäuscht ich bin. Wie dann aber die Kroaten ihren Sieg ausgiebig gefeiert haben, war mir das ärgerlich, ganz ähnlich, wie dann später bei den Siegesfeiern der türkischen Menschen in unserer Wohngegend – ganz moralisierend -so laut hupen und feiern tut man doch nicht um 12 Uhr nachts in einem Gastgeberland! Ich bin mir sicher, bei einem österreichischen Sieg hätte ich mich mitgefreut, auch um 2 Uhr nachts.

 

Ganz ungeschminkt und ehrlich kommen da rassistisch gefärbte Impulse an die Oberfläche, von denen ich gemeint habe, - die seien längst kein Thema mehr. Das ist nicht angenehm, aber es hilft, dass ich mich nicht abgeklärt auf die tolerante Seite stellen kann und die sogenannten Rassisten nur auf der anderen Seite vermute.

 

Die Tatsache, dass die Österreicher und auch die Schweizer als Verlierer zugleich Gastgeber waren und sind, hat mich auf eine andere Spur gebracht. Sich nicht mehr groß aufzuspielen und trotzdem den Rahmen zu schaffen und ihn auch zu halten, dass andere Nationen hier spielen und siegen und feiern können und Österreicher sich dabei noch mitfreuen! Als Gastgeber braucht das ein Stück innere und äußere Großzügigkeit. Natürlich darf man dabei die finanziellen Spekulationen und wirtschaftlichen Gewinne nicht ausblenden. Trotzdem, Gastgeber zu sein, das heißt, den anderen, fremden Nationen ohne Unterschied ihre Würde zukommen zu lassen. Mich erinnert das an den Artikel 1 der Menschenrechte: ‚Alle Menschen werden frei und gleich an Würde und Rechten geboren’, - aber, wie sich ja immer wieder zeigt, allein dieser Grundsatz hat die Menschen nicht verändert.

 

Mir hilft bei meiner eigenen Veränderung auch die spirituelle Dimension und so merkwürdig das jetzt klingen mag, mir helfen da immer wieder uralte biblische Gedanken. Zum Beispiel in einem Konflikt zwischen Fremden und Insidern der Gemeinde von Ephesus heißt es in einem Brief an sie: „Ihr seid imstande, mit allen Heiligen zu begreifen, was die Länge und Breite und Höhe und Tiefe ist“. Gemeint ist damit im Zusammenhang die Liebe, die im Herzen wohnt und die Fülle Gottes, die über alles hinausströmt. Nun versuche ich zu übersetzen. Es gibt die Möglichkeit in jedem Menschen etwas von der Liebe zu entfalten und von der göttlichen Fülle ergriffen zu werden. Für mich ein wichtiger Gedanke, besonders wenn mir Menschen begegnen, die mir sehr fremd sind, gegen die ich eine Abneigung habe. Wir sind in unseren Möglichkeiten gar nicht so unterschiedlich, auf tieferer Ebene sind wir gleich und – so sagt es der alte Text – wir sind alle Mitbürgerinnen und Mitbürger der Heiligen.

 

„So seid ihr nun nicht mehr Fremde und Ausländer. Sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph  2/ 19)