Das Evangelische Wort

Sonntag, 06. 07. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Michael Chalupka

 

 

„Gehorcht euren Lehrern und folgt ihnen, denn sie wachen über eure Seelen - und dafür müssen sie Rechenschaft geben -, damit sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn das wäre nicht gut für euch“. (Hebräer 13, 17)

 

In allen Schulen ist Ruh. Nun haben auch die Bildungsanstalten im Westen des Landes ihre Pforten geschlossen. Die Schülerinnen und Schüler genießen die Ferien und haben das Recht, sich keine Gedanken zu machen, die Lehrerinnen und Lehrer sollen auch genießen, sind aber wie wir alle gerade dann, wenn die Zeit nicht voller lästiger alltäglicher Verpflichtungen ist dazu eingeladen, sich Gedanken zu machen über ihre Schüler, über die Schule, das Schulsystem, und die Seele im Allgemeinen.

 

„Gehorcht euren Lehrern und folgt ihnen“, heißt es im Brief an die Hebräer. Das scheint schwer genug, aber die Begründung ist interessant, nicht weil sie Autoritätspersonen wären, oder das Schulorganisationsgesetz es verlangen würde, sondern es heißt: „Folgt Euren Lehrern, denn sie wachen über eure Seelen“. Lehrer sind nicht nur Lehrpersonal, die Wissen vermitteln, sondern sie sind Seelenhirten, Seelsorger, spirituelle Führer. – „Und dafür müssen sie Rechenschaft geben“ – Dafür  und nicht dafür, dass die Erstklässler das Einmaleins beherrschten, oder die Großen die Trigonometrie. Lehrerinnen und Lehrer müssen Rechenschaft ablegen, wie sie über die Seelen gewacht haben, die Ihnen anvertraut waren und sind.

 

Und Seelen sind empfindsam! In den robustesten Körpern wohnen ja oft die zartesten seelischen Pflänzchen, denen man ihre Sensibilität oft gar nicht anmerkt. Also Lehrer sind Seelenpfleger, und dafür verantwortlich wie sie mit den Seelen umgehen, wir aber, die alle Schüler waren oder sind sollen ihnen folgen, dass heißt  ihnen das Leben auch nicht all zu schwer machen, damit sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn das wiederum wäre nicht gut für uns Schülerinnen und Schüler, meint der Brief an die Hebräer, und wie Recht er damit hat.

 

Gestresste, burn-out gefährdete Lehrer sind Gift für zarte Schülerseelen. Lehren ist Sorgen für die Seelen und das funktioniert am besten mit Freude und nicht mit Seufzen, denn das wäre nicht gut für die, die lernen sollen.

 

Doch da sind wir beim System Schule. Auch Lehrer haben eine Seele. Eine Seele, die Platz und Entfaltung finden soll in 50 Minuten Einheiten und in oftmals überfüllten Klassen, die wenig Platz für individuelle Förderung und Zuwendung lassen.

 

"Schulen sind Produktionsstätten der Menschlichkeit, sofern sie bewirken, dass aus Menschen wirklich Menschen werden", hat der evangelische Theologe und Pädagoge Jan Amos Komensky, genannt Comenius, schon vor mehr als 400 Jahren geschrieben.

 

Für Ihn, den großen protestantischen Lehrer und Seelsorger, ist das Christentum eine Religion der Hoffnung. Für Ihn ist es bei der Bildung von Kindern wichtig, vom hoffnungsvollen Glauben an "Verbesserung" auszugehen, von Wachstumsmöglichkeiten, die allen Kindern offen stehen. Johann Amos Komensky ist der erste große evangelische Pädagoge und Theologe, der inklusiv dachte. Er verlangte eine Schule für alle. Für ihn sind Kompetenzunterschiede zwischen den Menschen nur solche des "Grades". Der eine begreift lediglich schneller als der andere, er überlegt schärfer, oder er besitzt ein besseres Gedächtnis, die anderen sind langsamer und die Talente sind verschieden vergeben. Für Komensky werden Schulen dann zu Produktionsstätten der Menschlichkeit, wenn sie zu  Selbstermutigung führen und das Selbstvertrauen stärken. Comenius sieht alle Menschen primär mit ihren Potentialen, nicht in ihren Begrenzungen.

 

Lehrerinnen und Lehrern, die Potentiale sehen, Wachstum fördern und Seelen wachsen lassen und das mit Freude tun, denen folgen die Schüler auch gerne. Denn wenn sie ihren Job mit Seufzen tun, dann ist das nicht gut für die Schüler. Deshalb wollen wir ihnen auch beiden, Schülern wie Lehrern, die Ruhe gönnen, zumindest in den nächsten Wochen des Sommers.